Schlagwort-Archive: Roman

Junge mit schwarzem Hahn von Stefanie vor Schulte (Hörbuch)

„Und es ist sicher, dass er niemandem davon berichten darf, wie der Hahn zu ihm spricht. Denn alle würden meinen, mit der Stimme des Teufels, aber Martin weiß, mit dem Teufel hat der Hahn so wenig zu tun wie er selbst.“ (CD 1, Track 15)

Der 11-jährige Martin besitzt nichts außer einem Hahn, den er auf der Schulter oder unter der Kleidung trägt. Dies ist sein einziger Gefährte, seit er als Dreijähriger seine ganze Familie verloren hat, nachdem der Vater seine Geschwister und seine Mutter erschlagen hat.

Die Dorfbewohner verachten, fürchten und meiden Martin, denn der kluge und liebenswürdige Junge ist ihnen nicht ganz geheuer, und der schwarze Hahn ist für sie eindeutig der Teufel.

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Das Baby ist meins von Oyinkan Braithwaite

„Beinahe über Nacht schien das Leben zum Stillstand gekommen zu sein, und es wurde nicht länger als sicher angesehen, sich frei unter andere Menschen zu mischen. Also blieben wir zu Hause.“ (Track 1)

Bambi lebt gerade mit seiner aktuellen Partnerin Mide zusammen, als auch in Nigeria ein Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie beschlossen wird. Als Mide dahinter kommt, dass Bambi fremdgegangen ist, setzt sie ihn – trotz verschärfter Ausgangsregelungen – kurzerhand vor die Tür.

Bambi hat nicht viel Handlungsspielraum und entschließt sich, zu seiner Tante – Auntie Bidemi – zu fahren, die ein kleines Baby hat und deren Ehemann gerade an Covid-19 verstorben ist.

Bei Auntie Bidemi trifft er aber nicht nur auf die Tante und ihr Baby Remi, sondern auch auf Esohe, die Ex-Geliebte seines Onkels.

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Der Fallmeister. Eine kurze Geschichte vom Töten von Christoph Ransmayr (Hörbuch)

„Wie dünn, möglicherweise bloß hauchzart, war die Membran, die das Innerste eines friedlichen, Musik und Malerei und dazu Süßigkeiten, seine Kinder oder wenigstens sein Vieh liebenden Menschen von einer tief in ihm kauernden Bestie trennte.“ (Track 39)

Fünf Menschen ertrinken, als ihr Langboot im Wildwasser des Weißen Flusses den Großen Fall hinunterstürzt. Der Schleusenwärter, ein „Fallmeister“ und Vater des Erzählers, hätte dieses Unglück verhindern müssen. Aber handelt es sich überhaupt um einen Unfall oder (wie der Sohn meint) um Mord?

Neben der Geschichte des Unglücks erzählt Christoph Ransmayr in seiner Dystopie, in der Europa in einen Vielstaatenkontinent zerfallen ist und Kriege um Wasser an der Tagesordnung sind, unter anderem von den Weißen und den Roten Khmer, vom Alten Ägypten und Tutanchamun sowie von der inzestuösen Beziehung zwischen dem Erzähler und seiner Schwester.

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Vati von Monika Helfer (Hörbuch)

„Wir sagten Vati. Er wollte es so. Er meinte, es klinge modern. Er wollte vor uns und durch uns einen Mann erfinden, der in die neue Zeit hineinpasste. An dem eine andere Vergangenheit abzulesen wäre.“ (CD 1, Track 2)

In Vati erzählt Monika Helfer von ihrem Vater, von ihrer Kindheit und Jugend, vom Leben im Kriegsopfer-Erholungsheim, von der Bibliothek des Vaters, vom Tod ihrer Mutter und dem Leben bei ihrer Tante sowie vom Rest der Familie – der „Bagage“, der sie im gleichnamigen Roman ein Denkmal gesetzt hat.

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Das Mädchen mit der lauternen Stimme von Abi Daré

„die Zukunft arbeitet ständig, ist immer damit beschäftigt, bessere Dinge zu enthüllen, und auch wenn es manchmal nicht so scheint, darauf können wir hoffen“ (Seite 363)

Die 14-jährige Adunni lebt nach dem Tod ihrer Mutter zusammen mit ihrem Vater und ihren Geschwistern in ihrem Heimatdorf in Nigeria. Der Vater ist Alkoholiker und hat Geldsorgen, weshalb er Adunni mit Morufu, einem deutlich älteren Taxifahrer „mit Ziegenbartgesicht“ verheiratet, um von einem Teil des Brautpreises die Miete und Essen bezahlen zu können.

Morufu hat bereits zwei Ehefrauen, wobei die Erstfrau Adunni tyrannisiert und die Zweitfrau Adunni unterstützt, wo sie nur kann. Von ihrem Ehemann Morufu, der sich sehnlichst einen Sohn wünscht, wird Adunni immer wieder vergewaltigt, und sie, die wegen ihres Vaters die Schule abbrechen musste, träumt weiterhin davon, wieder zur Schule zu gehen, zu lernen, später zu arbeiten und Geld zu verdienen.

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Würde von Andrew Brown

„Die Seele meines Landes ist durch und durch verfault.“

Stefan Svritsky hat einen Jungen überfahren, ihn sterbend auf der Straße zurück gelassen und dann Fahrerflucht begangen. Es gibt zwar einen Zeugen für den Unfall, aber diese Person hat einen falschen Namen und eine falsche Adresse angegeben, ist unauffindbar.

Der Anwalt Richard Calloway vertritt Svritsky und verliert nach und nach die Kontrolle über sein eigenes Leben. Würde von Andrew Brown weiterlesen

Mond über Beton von Julia Rothenburg

„Wer hier aus der U-Bahn steigt, ist selber schuld.“ (Seite 9, Zitat aus „Die Welt, 7.3.2016“)

Das „Zentrum Kreuzberg“, das bis 2000 „Neues Kreuzberger Zentrum“ (NKZ) hieß, ist ein Gebäude mit 12 Stockwerken am Kottbusser Tor. Der Bau begann 1969, im Sommer 1974 wurde das NKZ erstmals bezogen.

In diesem real existierenden Gebäude leben in Julia Rothenburgs Roman unter anderem Stanca, die ursprünglich aus Rumänien stammt, verwitwet, verarmt und einsam ist, der ebenfalls verwitwete Mutlu, den die Lebensfreude verlassen hat und der mit der Erziehung seiner beiden Söhne überfordert ist, Mutlus Nichte Aylin, die in der Wohnung über ihm wohnt und versucht, ihrem Onkel und ihren Cousins so gut wie möglich zu helfen, sowie Marianne und Günther, die entsetzt ob der allgegenwärtigen Gewalt am Kotti sind und eine Bürgerwehr zusammenstellen, um auf eigene Faust gegen Junkies und Dealerbanden vorzugehen.

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Bleib bei mir von Ayọ̀bámi Adébáyọ̀

„Wenn die Last zu groß ist, zu groß über eine zu lange Zeit, knickt selbst die Liebe ein, bekommt Risse, droht zu zerbrechen und zerbricht manchmal. Aber auch wenn sie in tausend Scherben verstreut um unsere Füße liegt, ist es noch immer Liebe.“ (Seite 28)

Yejide und Akin haben aus Liebe geheiratet und sich – ganz entgegen der nigerianischen Tradition – gegen die Polygamie entschieden. Doch dass Yejide nicht schwanger wird, belastet nicht nur das Paar, sondern wird zunehmend von Akins Familie thematisiert. Jeden Monat schickt Akins Mutter eine potenzielle Heiratskandidatin in Akins Büro, doch er lehnt stets ab. Bis er Funmi vorgestellt wird, die er schließlich heiratet, weil sie ihm der beste Kompromiss zu sein scheint, denn Funmi erklärt sich bereit, nicht im gleichen Haus wie Yejide und Akin zu leben.

Die Beziehung zwischen Akin und Yejide bekommt Brüche, und Yejide weiß, dass sie schwanger werden muss, um Akin zu halten. Und sie ist bereit, dafür jeden Preis zu zahlen. Bleib bei mir von Ayọ̀bámi Adébáyọ̀ weiterlesen

Die Wurzeln des Lebens von Richard Powers

„Wann ist die beste Zeit, um einen Baum zu pflanzen? Vor zwanzig Jahren.“ (Seite 46, chinesisches Sprichwort)

Jørgen Hoel, der als Einwanderer von Norwegen nach Amerika kam, bestellt zusammen mit seiner Frau Vi einen Flecken Land in Iowa. Dort pflanzt er Kastanienbäume an, doch ein Baum nach dem anderen stirbt, so wie Jørgen und seine Frau auch einige ihrer Kinder zu Grabe tragen. Doch ein Baum überlebt, wächst und gedeiht, und Jørgens ältester Sohn John beginnt damit, jeden Monat am 21. ein Foto dieses Baumes aufzunehmen. Ein Ritual, das von Generation zu Generation weitergegeben wird – bis zu Nick, dem Urururenkel Jørgens, der 120 Jahre später noch immer fasziniert vom majestätischen Kastanienbaum ist. Die Farm der Hoels gibt es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, das Land ist an Firmen verpachtet, doch das Haus und der Baum stehen noch immer.

Neben dieser Geschichte um die Hoels und ihren Kastanienbaum führt Richard Powers im ersten Kapitel („Wurzeln“) sieben weitere Erzählstränge ein, z.B. die Geschichte des chinesischen Einwanderers Sih Hsuin, der einen Maulbeerbaum pflanzt und nach seinem Tod drei Töchter, drei Jade-Ringe und eine alte, wertvolle Bildrolle hinterlässt, und die Geschichte der Wissenschaftlerin Patricia Westerford, die entdeckt, dass Bäume miteinander kommunizieren. Der gemeinsame Nenner aller Handlungsstränge ist ein Baum, der für die jeweilige Person eine besondere Bedeutung hat. Die Wurzeln des Lebens von Richard Powers weiterlesen

American War von Omar El Akkad (Hörbuch)

„Als ich jung war, sammelte ich Postkarten. […] Meine liebsten Postkarten stammen aus den 2030er und 2040er Jahren, den beiden letzten Jahrzehnten, bevor der Planet sich gegen das Land wandte und das Land gegen sich selbst. Es waren Bilder von den großen Ozeanstränden, bevor der ansteigende Meeresspiegel sie verschlang; Bilder aus dem Südwesten des Landes, bevor nur Asche davon blieb; Fotografien von den endlosen Ebenen des Mittleren Westens, menschenleer unter strahlend blauem Himmel, bevor sich in der großen Wanderung all die vielen, die ihre Heimat an den Küsten verloren hatten, hier niederließen. Bilder, die an ein Amerika erinnerten, wie es in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts gewesen war: überschäumend und übermütig, selbstvergessen, als gäbe es kein Morgen.“

Mich hat American War so begeistert, dass ich erst das Buch gelesen und direkt im Anschluss das Hörbuch gehört habe. Wie in meiner Buchrezension zu American War ausführlich beschrieben, behandelt der Roman von Omar El Akkad den Zweiten Amerikanischen Bürgerkrieg, der im Jahre 2074 begann und 2095 beendet wurde. Im Mittelpunkt des Romans steht Sara T. Chestnut, die seit ihrer Kindheit „Sarat“ genannt wird und deren Leben durch den Bürgerkrieg aus den Fugen gerät. American War von Omar El Akkad (Hörbuch) weiterlesen