Schlagwort-Archive: Lieblingsbücher 2019

Herkunft von Saša Stanišić (Hörbuch)

„Es ist so: Das Land, in dem ich geboren wurde, gibt es heute nicht mehr. Solange es das Land noch gab, begriff ich mich als Jugoslawe. Wie meine Eltern, die aus einer serbischen (Vater) bzw. einer bosniakisch-muslimischen Familie stammten (Mutter). Ich war also ein Kind des Vielvölkerstaats, ich war Ertrag und Bekenntnis zweier einander zugeneigter Menschen, die dieser jugoslawische Melting Pot befreit hatte von den Zwängen unterschiedlicher Herkunft und Religion.“ (CD 1, Track 4)

Saša Stanišić erzählt in Herkunft von seiner Kindheit in Višegrad im östlichen Bosnien, vom Bosnienkrieg und der Flucht seiner Familie nach Deutschland, von der Schulzeit und seinem Studium in Heidelberg, von seinem Leben in Hamburg. Dabei beschreibt er seine alte Heimat Jugoslawien liebevoll und sehnsuchtsvoll, und auch von seinen Eltern und den Großeltern spricht Stanišić voller Zuneigung. Herkunft von Saša Stanišić (Hörbuch) weiterlesen

Die Entstehung des Lebens. Evolution von Fiona Munro, Ruth Symons und Katie Scott

Ich kannte die Reihe Eintritt frei! bisher nicht, habe Die Entstehung des Lebens. Evolution jedoch auf der Leipziger Buchmesse entdeckt und schon beim groben Durchblättern gewusst, dass ich dieses Buch gerne lesen möchte und dass es sich um ein Buch handelt, das ich immer wieder gerne verschenken werde. Die Entstehung des Lebens. Evolution von Fiona Munro, Ruth Symons und Katie Scott weiterlesen

Unter wilden Bären von Christine Sonvilla, Mark Graf und Robert Haasmann

„Wir sind überzeugt davon, dass starke Bilder vom funktionierenden Miteinander von Mensch und Raubtier in unseren Köpfen hängen bleiben.“ (Seite 21)

Als wir vor ein paar Jahren nach Slowenien gefahren sind, war ich sehr begierig darauf, einen Bären in freier Wildbahn zu sehen, da ich mich zum ersten Mal im Leben in einem Bärengebiet aufgehalten habe. Doch schon im ersten Wald hat mich die Angst vor der Courage gepackt, denn auch wenn ich darüber gelesen hatte, wie ich mich im Falle des Falles verhalten sollte, wusste ich, dass ich das sofort vergessen habe, wenn ich einem Bären gegenüberstehe.

Einen Bären habe ich in unserem Slowenien-Urlaub dann (glücklicherweise!) doch nicht gesehen, aber die Faszination für Bären ist geblieben, die ich mittlerweile ganz sicher vom heimischen Sofa aus pflege. Und dafür eignet sich der wunderbare Bildband Unter wilden Bären ganz ausgezeichnet. Unter wilden Bären von Christine Sonvilla, Mark Graf und Robert Haasmann weiterlesen

Kaffee und Zigaretten von Ferdinand von Schirach (Hörbuch)

„Jeder scheitert auf seine eigene Weise.“ (CD 3, Track 27)

Ferdinand von Schirach erzählt in Kaffee und Zigaretten von seinem eigenen Leben: von der schweren Kindheit, vom Internat, von Depression, vom frühen Tod des Vaters.

Er berichtet von Momenten, die ihn geprägt haben, und bietet so eine Art Kaleidoskop seines Lebens, wobei er diese persönlichen Augenblicke mit anderen Erlebnissen verwebt, die ihn bewegt und beschäftigt haben: mit den Stammheim-Prozessen, Verbrechen, mit Filmen wie Der Swimmingpool, Regisseuren wie Michael Haneke, Schriftstellern wie Imre Kertész, Einflüssen aus Politik, Philosophie, Physik, Geschichte, mit Betrachtungen über den Tod. Immer wieder geht es um Gerichtsverhandlungen, Kunst, Zigaretten und Suizid. Kaffee und Zigaretten von Ferdinand von Schirach (Hörbuch) weiterlesen

Gebrauchsanweisung für Iran von Bita Schafi-Neya

„Iran ist authentisch, ein Land, keine Kulisse. Es gibt hier so viele verkannte, so viele unbekannte Dinge, und ich hoffe, dass sich der ein oder andere Leser, die ein oder andere Leserin auf den Weg macht, sie zu entdecken.“ (Seite 12)

Bita Schafi-Neya, deren Vater Iraner und die in Deutschland aufgewachsen ist, bereist mindestens einmal im Jahr ihre zweite Heimat Iran und erzählt in ihrer Gebrauchsanweisung für Iran von Teheran und Elburs-Gebirge, Nasen-OPs und Straßenverkehr, Skifahren und Ramadan, Sunniten und Schiiten, Dating und Partys, Unbeschwertheit und Höflichkeit, Schah und Islamischer Revolution, Mossadegh und USA, Chai und Dugh, Taarof und Miniaturmalerei, Imam-Platz in Isfahan und Safawiden, Basaren und Karawansereien, Täbris und Kandovan, Schiras und Hafis, Yalda-Nacht und Nowruz, Kaspischem Meer und Kavier, Transiranischer Eisenbahn und Carnet de Passage, Yazd und Zoroastriern, Atomanlage Natanz und Atomabkommen. Gebrauchsanweisung für Iran von Bita Schafi-Neya weiterlesen

Die Welt im Rücken von Thomas Melle

„Das Drama, das eine erste Psychose auslöst, ist erheblich. Für einen selbst ist es ein unbegreiflicher, allumfassender Kick, der einen in himmelschreiende Sphären schleudert; für Freunde und Familie ist es die blanke Tragödie. Aus dem Nichts wird da einer, den man anders kennt, verrückt, buchstäblich verrückt, und zwar genauer, realer, peinlicher, als es in den Filmen, den Büchern gezeigt wird, wird wahnsinnig wie ein wildäugiger Penner, der den Straßenverkehr beschimpft, wird dumm, töricht, unheimlich. Aus dem Nichts wird der Freund zum Fremden an sich.“ (Seite 65)

Thomas Melle erzählt in Die Welt im Rücken von seiner Bipolar-I-Störung, die 1999 zu einem ersten Krankenhausaufenthalt führte. Melle berichtet vom Verlauf der Erkrankung, von Kontrollverlust und Erinnerungslücken, von manischen und depressiven Phasen, von Paranoia und Beziehungsideen, von verschiedenen Formen bipolarer affektiver Störungen, von Symptomen, Suizidalität und zerstörten Freundschaften. Die Welt im Rücken von Thomas Melle weiterlesen

Kompass ohne Norden von Neal Shusterman

„Alles hat Bedeutung da draußen, ich muss sie nur finden.“ (Seite 68)

Kompass ohne Norden ist keine fiktive Geschichte, sondern basiert auf der Krankheitsgeschichte von Brendan, Neal Shustermans Sohn, der im Alter von 15 Jahren an einer schizoaffektiven Psychose erkrankte.

Anhand des Hauptprotagonisten Caden Bosch (Brendans Alter Ego) zeigt Shusterman, wie sich die Symptome seines Sohnes entwickelten, wie sie sich im Verlauf veränderten, wie die Behandlung bei seinem neunwöchigen Klinikaufenthalt aussah, welche Auswirkung die medikamentöse Behandlung hatte.

Caden lebt in einer furchteinflößenden Welt: Monster sind in seinen Geist eingedrungen, haben Bilder herausgerissen und daraus Masken gemacht, so dass sie wie die Menschen aussehen, die Caden liebt. Sie lachen über ihn, sprechen über ihn, und sie sorgen dafür, dass Caden seine Umgebung als feindselig und bedrohlich empfindet, nicht mehr weiß, wem er trauen kann, sich immer mehr verschließt. Kompass ohne Norden von Neal Shusterman weiterlesen

Das Lächeln meiner Mutter von Delphine de Vigan

„Wahrscheinlich hatte ich gehofft, aus diesem seltsamen Material würde sich eine Wahrheit herausschälen. Aber es gab keine Wahrheit. Ich hatte nur verstreute Bruchstücke, und schon das Ordnen dieser Bruchstücke war eine Fiktion. […] Was versuchte ich eigentlich, wenn nicht dem Schmerz meiner Mutter näherzukommen, seinen Umfang, seine versteckten Winkel und den Schatten, den er warf, zu erkunden?“ (Seite 39)

Delphine de Vigan findet die Leiche ihrer Mutter Lucile in deren Wohnung, wo sie mehrere Tage lag, ohne dass jemand von ihrem Tod wusste. Nach langem Ringen mit sich entscheidet sie sich dafür, über ihre Mutter zu schreiben, befragt Familienangehörige, liest Briefe, hört Tonbandkassetten an, möchte verstehen, warum sich Lucile suizidiert hat. Das Lächeln meiner Mutter von Delphine de Vigan weiterlesen

Reisen in die Welt des Wahns von Achim Haug

„Es ist auch eine Geschichte über das, was sicher ist, und das, was wir nur für sicher halten. […] Wenn der eine oder andere Leser vielleicht am Schluss selbst etwas verunsichert ist, würde mich das freuen, denn dies bringt uns näher an das Verständnis von Menschen mit Wahn.“ (Seite 7)

Achim Haug, emeritierter Professor für Psychiatrie, erzählt in Reisen in die Welt des Wahns anhand von vier Fallgeschichten von unterschiedlichen Facetten psychotischen Erlebens sowie von psychologischen Grundlagen bezüglich Wahrnehmen, Denken usw.

Er berichtet u.a. von kognitiver Dissonanz, Vulnerabilitäts-Stress-Modell der Schizophrenie, Suizidalität, Praecox-Erleben, schizotyper Persönlichkeitsstörung, Karl Jaspers, doppelter Buchführung, formalen Denkstörungen, Wahnstimmung, Wahnarbeit, Wahneinfall, Wahnwahrnehmung, bizarrem Wahn in der Schizophrenie, Wahndynamik, Jumping-to-Conclusions-Bias, Ich-Störungen, Wahnursachen, Wahnentwicklung, Capgras-Syndrom und Behandlung von Wahn. Reisen in die Welt des Wahns von Achim Haug weiterlesen

Wer hat meinen Vater umgebracht von Édouard Louis

„Sie sind einander räumlich nah, doch sie dringen nicht zueinander durch.“ (Seite 7)

Édouard Louis hat seinen Vater seit Jahren nicht gesehen, und als er ihn nach dieser langen Zeit besucht, erkennt er ihn kaum wieder: Er ist vorzeitig gealtert, hat Probleme beim Gehen und beim Atmen, leidet an Diabetes.

In Wer hat meinen Vater umgebracht erzählt Louis von seiner Kindheit und Jugend, von der schwierigen Interaktion zwischen ihm und seinem Vater, von der zur Schau getragenen Männlichkeit und der unterdrückten Emotionalität seines Vaters, von der Trennung seiner Eltern, vom Arbeitsunfall seines Vaters, in dessen Folge dieser wochenlang das Bett hüten musste und den Rest seines Lebens von chronischen Schmerzen geplagt wurde.

Was als persönlicher Bericht über das Leben von Vater und Sohn sowie die Beziehung zwischen den beiden begann, wird nach den Schilderungen des Arbeitsunfalls und den erwähnten Kürzungen der Sozialleistungen schließlich zur politischen Debatte, zur Streitschrift, zur Abrechnung mit der französischen Regierung. Wer hat meinen Vater umgebracht von Édouard Louis weiterlesen