Schlagwort-Archive: Roman

Die Entflohene von Violaine Huisman

„Die Kehrseite ihrer Tobsuchtsanfälle war nicht Zurückhaltung, sondern Verehrung. Wir liebten sie über alles […].“ (Seite 14)

Wutanfälle und Beschimpfungen. Vernachlässigung und Gewalt. Alkoholmissbrauch und Medikamentencocktails. Zerbrechen von Beziehungen zum Vater und anderen Bezugspersonen. Emotionale Distanzierung und große Verzweiflung. Zwangseinweisung und Risikoverhalten.

Das ist die tägliche Lebens- und Erlebenswelt der Ich-Erzählerin in Violaine Huismans Roman Die Entflohene, in dem die Autorin von ihrer eigenen Kindheit mit ihrer Mutter mit bipolarer Störung erzählt.

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Die Reise nach Petuschki von Wenedikt Wassiljewitsch Jerofejew

Der Alkoholiker Wenedikt Jerofejew befindet sich im Zug von Moskau nach Petuschki. Dort möchte er die „Favoritin unter den Flittchen“ treffen, die er 12 Wochen zuvor kennengelernt und seitdem jede Woche besucht hat. In seinem Gepäck hat er jede Menge Schnaps, und die Zugfahrt entwickelt sich schließlich zu einem Saufgelage und einem Monolog über Politik, sowjetische Lebens- und Arbeitsbedingungen, Frauen u.v.m. Die Reise nach Petuschki von Wenedikt Wassiljewitsch Jerofejew weiterlesen

Der Sprung von Simone Lappert

„Irgendeine Tragödie ereignete sich immer.“ (Seite 15)

Eine Frau steht auf dem Dach eines Wohnhauses. Sie entfernt Dachziegel. Sie schreit. Sie wirft Gegenstände auf die Straße. Und immer wieder geht sie gefährlich nah an den Rand.

Unten steht irgendwann eine ganze Traube von Menschen. Sie filmen die Szene mit ihren Smartphones. Sie rufen der Frau Beleidigungen entgegen. Sie holen sich im benachbarten Lädchen Getränke und Snacks, starren gebannt nach oben, genießen das Ganze wie einen besonders spannenden Film. Und manche sorgen sich auch um die Frau, die sich möglicherweise suizidieren möchte.

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Eine große Zeit von William Boyd

„In unserem verfallenden Kaiserreich gilt der Freitod als vollkommen vernünftige Lösung.“

Wien im Jahre 1913: Der Schauspieler Lysander Rief ist nach Wien gereist, damit er mit der verhältnismäßig neuen Methode der Psychoanalyse von einem Problem befreit wird, das ihn plagt. In der Praxis von Dr. Bensimon trifft er auf die charismatische Künstlerin Hettie, die er am selben Tag unverhofft in einem Geschäft für Künstlerbedarf wieder trifft, die ihn umgarnt und schließlich dafür sorgt, dass er Wien eilig wieder verlassen muss.

In der Zwischenzeit bricht der erste Weltkrieg aus, Lysander erlebt den Krieg hautnah und wird schließlich in eine Spionagegeschichte verwickelt.

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Die Wand von Marlen Haushofer (Hörbuch)

„Von allen Seiten kriecht die Angst auf mich zu“

Die Ich-Erzählerin wird von ihrer Cousine und ihrem Mann für ein paar Tage auf deren Jagdhaus in den Bergen eingeladen. Am Abend verabschieden sich die Gastgeber von ihr, um kurz das Dorf zu besuchen, doch sie kommen am Abend und auch in der Nacht nicht zurück.

Am Morgen macht sich die verwunderte und beunruhigte Ich-Erzählerin schließlich zusammen mit dem Hund der Gastgeber auf den Weg ins Dorf, um nach den beiden zu schauen. Da bemerkt sie eine Glaswand, die sie am Weitergehen hindert und die sie von der Außenwelt komplett abschirmt. Die Wand von Marlen Haushofer (Hörbuch) weiterlesen

Ida von Katharina Adler (Hörbuch)

„Er zweifle nicht daran, dass sie einen Zweck im Auge habe, den sie durch ihre Krankheit zu erreichen hoffe.“ (CD 6, Track 10)

Die 58-jährige Ida Adler, geborene Bauer, hat ihre Heimatstadt Wien vor über zwei Jahren verlassen und erreicht im Jahre 1941 New York City, von wo aus sie weiterreist nach Chicago, um bei ihrem Sohn und seiner Frau unterzukommen. Sie ist eine nörgelnde, taktlose, anstrengende Frau, die an keinem ein gutes Haar lässt, doch durch Rückblenden erfährt der Leser bald, weshalb Ida Adler so verbittert ist, was sie in ihrem Leben erfahren und erleiden musste.

Der Leser taucht im weiteren Verlauf des Buches immer tiefer in die Biografie Ida Adlers ein, hört von der schwierigen Familiengeschichte, vom Leben mit eigenen Krankheiten und kranken Familienmitgliedern sowie von den Veränderungen in Österreich und Europa im Zuge des immer weiter erstarkenden Nationalsozialismus. Zentral im Roman ist zudem die Behandlung Ida Adlers durch Sigmund Freud, dessen Fallgeschichte „Dora“ berühmt geworden ist, in der er Ida Adlers Krankengeschichte anonymisiert darlegte. Ida von Katharina Adler (Hörbuch) weiterlesen

Die Nickel Boys von Colson Whitehead (Hörbuch)

„Hier drin ist es genauso wie draußen, nur muss hier keiner mehr so tun als ob.“ (CD 2, Track 21

Florida in den 1960er Jahren: Der 16-jährige Elwood lebt mir seiner Großmutter im schwarzen Ghetto von Tallahassee. Er bewundert Martin Luther King und erlebt hautnah, wie sich die Rassentrennung langsam ändert.

Als Elwood einen Platz am College bekommt, scheint ihm die Welt offen zu stehen, doch dann wird er in einem gestohlenen Auto aufgegriffen und ohne gerechtes Verfahren in die Besserungsanstalt Nickel Academy gebracht.

Dort erlebt er körperliche Züchtigung, brutale Bestrafungen, Entwürdigung, Ungerechtigkeit und einen tief verwurzelten Rassismus, der ihm Tag für Tag das Leben zur Hölle macht.

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Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod von Gerhard Jäger (Hörbuch)

„[…] und in diesem Augenblick hörte ich es: ein dumpfes Grollen, das mich zuerst an einen entfernten Donner denken ließ, aber mich im nächsten Moment traf wie eine Faust.“ (CD 1, Track 6)

Der 80-jährige John Miller macht sich auf zu einer letzten großen Reise: Er kehrt zurück in seine Heimat und sichtet im Innsbrucker Landesarchiv die Akten über den Fall eines gewissen Max Schreiber, der im Herbst 1950 in ein kleines Tiroler Bergdorf gekommen und im Jahr darauf spurlos verschwunden ist. Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod von Gerhard Jäger (Hörbuch) weiterlesen

Belletristik und Sachbücher über die Levante

In diesem Post liste ich Belletristik und Sachbücher aus und über die Levante auf.

Meine Liste ist selbstverständlich nicht vollständig. Ich würde mich sehr über Ergänzungen und Empfehlungen in den Kommentaren freuen.

Mit einem Sternchen versehen habe ich Bücher, die ich selbst noch nicht gelesen, zu denen ich mir somit noch keine eigene Meinung gebildet habe.

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Das Schneckenhaus. Tagebuch eines Voyeurs von Mustafa Khalifa

„Anfangs rief ich Gott um Hilfe – ich, der ich mein Lebtag mit meinem Atheismus geprahlt hatte. Doch angesichts der Allmacht der Militärpolizei konnte Gott nichts ausrichten! Ich fragte grollend: Wo ist Gott? Hof 1 ist der größte Beweis für die Nichtexistenz eines Wesens namens Gott!“ (Seite 42)

Der Protagonist des Romans stammt aus einer arabischen Familie christlich-katholischen Glaubens, hat sechs Jahre in Frankreich gelebt und an einer Pariser Filmhochschule studiert, doch dann beschließt er, in seine syrische Heimat zurückzukehren.

Am Flughafen in Damaskus wird er vom Geheimdienst empfangen, in ein Gebäude in der Nähe gebracht und gefoltert. Ihm wird vorgeworfen, der verbotenen Muslimbruderschaft anzugehören, und als er sich als Christ bzw. Atheist zu erkennen gibt, wird er in das berühmt-berüchtigte Wüstengefängnis bei Palmyra (Tadmor) gebracht, wo er die nächsten 13 Jahre seines Lebens verbringen wird.

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