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Grenzenlos emotional. Von impulsiv bis Borderline von Martine Hoffmann und Gilles Michaux

„Alle Menschen sind zugleich einzig-artig und eigen-artig. Jeder und jede hat seine ganz eigene individuelle Art und Weise, sich mit sich selbst und seiner Umwelt auseinanderzusetzen.“ (Seite 14)

Martine Hoffmann und Gilles Michaux fassen in ihrem Ratgeber Grenzenlos emotional zusammen, was man über emotionale Instabilität bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung wissen sollte.

Hoffmann und Michaux erzählen z.B. von der historischen Entwicklung des Begriffs „Borderline“, erwähnen Symptome, führen die einzelnen diagnostischen Kriterien näher aus, erklären endokrinologische, hirnanatomische und physiologische Zusammenhänge, berichten von speziellen Lernerfahrungen, von Empathiefähigkeit, von Beziehungsmustern und – natürlich – von Emotionsregulation.

Außerdem erfährt man im Buch mehr über EMDR und dialektisch-behaviorale Therapie, Kommunikation, Entspannungstechniken, Selbstverletzung, Suizidalität und Skills.

Am Ende des Buches finden sich zudem ein „Schnellkurs für Angehörige, Partnerinnen und Partner“ sowie eine Auflistung und Beschreibung von Mythen und Fakten zur Borderline-Persönlichkeitsstörung.

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Im Unterland. Eine Entdeckungsreise in die Welt unter der Erde von Robert Macfarlane

„Und stets sind es die drei gleichen Aufgaben, die das Unterland für alle Kulturen und Epochen erfüllt: Es soll Kostbares schützen, Wertvolles hervorbringen, Schädliches entsorgen.“ (Seite 16)

Der Naturschriftsteller Robert Macfarlane ist fasziniert vom Unterland, von der Welt unter unseren Füßen. Er erzählt in seinem Buch von Aveline‘s Hole mit 10.000 Jahre alten menschlichen Leichen von Erwachsenen, Kindern und Kleinkindern sowie den Überresten mehrerer Tiere, von Dunkler Materie und Anthropozän, wood wide web und Kommunikation zwischen Bäumen, der Stadt unter der Stadt Paris und Beinhäusern, Hades und Karst, Höhlenmalerei und Mahlstrom, Ölfeldern und Bergbau, Gletschern und Kalbung, Kalevala und Atommüll.

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Der Beweis von Agota Kristof

Der Beweis setzt da an, wo Das große Heft geendet hat: Die Zwillinge haben sich getrennt – Lucas ist im Haus der verstorbenen Großmutter geblieben, während Claus über die Grenze geflohen ist, das Land verlassen hat.

Lucas lebt an der Realität vorbei, vernachlässigt seine Aufgaben und Verpflichtungen, fühlt sich nicht mehr als ganzer Mensch, seit er von seinem Zwillingsbruder getrennt lebt.

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Ich hasse Menschen. Eine Abschweifung von Julius Fischer

„Ich schreie alle an. Um mich abzureagieren. Natürlich nur, wenn ich alleine bin. Und natürlich nie ohne Grund. Es sind einfach alle außer mir Idioten.“ (Seite 27)

Julius Fischer hasst Menschen. Und er hat allen Grund hierfür, denn den Mann, der ihm im Zug gegenübersitzt und unfassbar laut und langsam Möhren knabbert, den kann man nur hassen. Gleiches gilt für Peggy aus Dresden, die ihn beim Poetry Slam schlägt, obwohl sie Gedichte wie aus einem Küchenkalender vorträgt.

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Der Scheiterhaufen von György Dragomán

„was vergangen ist, ist vergangen, sage ich, während ich weiß, dass das nicht stimmt, dass es eine unermesslich große Lüge ist, es ist nicht vergangen, es vergeht nicht“

Die 13-jährige Ich-Erzählerin Emma lebt seit dem Tod ihrer Eltern in einem Internat, wo sie eines Tages von einer unbekannten Frau besucht wird, die sich als ihre Großmutter ausgibt und sie mit zu sich nach Hause nimmt.

Emma wird in der fremden Stadt von ihren Mitschülern gehänselt, bedroht und beschimpft. Mit der Zeit erfährt sie von den Gerüchten, die über ihre Familie erzählt werden, lernt, sich gegenüber ihren Mitschülern durchzusetzen, und findet in ihrer Großmutter eine Vertraute, die ihr schließlich von ihrem eigenen Leben, ihren Verlusten und ihrer Schuld erzählt. Der Scheiterhaufen von György Dragomán weiterlesen

Provenzalischer Stolz von Sophie Bonnet

„Er fühlte sich so nutzlos. Die Suspendierung hatte ihn in eine Tiefe gezogen, die er an sich nicht kannte. Und er wusste nicht, wie er diesen Zustand beenden sollte.“ (Seite 33)

Pierre Durand wurde vom Dienst suspendiert und vermeidet jede Entscheidung bezüglich seiner beruflichen Zukunft. Er ist unzufrieden, antriebslos und hat zudem immer wieder Konflikte mit Charlotte.

Da kommt das Angebot des Sommeliers Martin Cazadieu, dessen Hausboot von Saint Gilles nach Béziers zu bringen, gerade richtig. Pierre freut sich auf die wunderschöne Landschaft der Camargue, auf gutes Essen und guten Wein – und vor allem auf das Alleinsein und viel Zeit, um über sein Leben und seine Zukunft nachzudenken.

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Bevor die Stimmen wiederkommen: Vorsorge und Selbsthilfe bei psychotischen Krisen von Andreas Knuf und Anke Gartelmann

„Die Beschäftigung mit Selbsthilfe und Vorsorge heilt keine Psychosen, man kann aber lernen, besser mit ihnen und möglichst lange ohne sie zu leben. Krisen sind weiterhin nicht ausgeschlossen, wenn sie aber kommen, dann möglicherweise schwächer oder mit weniger negativen Folgen.“ (Seite 10)

Bevor die Stimmen wiederkommen enthält Erfahrungsberichte von Menschen, die von Psychosen betroffen sind – d.h. vor allem von Psychoseerfahrenen, aber auch von professionell Tätigen, von Selbsthilfegruppen etc.

Das Buch ist in drei Teile untergliedert: Im ersten Teil erzählen Betroffene von ihren Psychosen und von ihren individuellen Wegen aus der Psychose. Der zweite Teil dreht sich um konkrete Hilfe, z.B. Selbsthilfe, aber auch Unterstützung durch andere. Der dritte Teil befasst sich schließlich mit konkreten Anregungen von Psychoseerfahrenen für andere Betroffene.

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Das große Heft von Agota Kristof

Die Zwillinge werden eines Tages von ihrer Mutter zu ihrer Großmutter in die „Kleine Stadt“ gebracht. Dort gibt es zwar mehr zu essen als in der „Großen Stadt“, und es fallen (noch) keine Bomben, doch wird den beiden Kindern keinerlei Liebe und Zuneigung von der Großmutter entgegengebracht.

Die Zwillinge beschließen, dass sie sich körperlich, geistig und emotional abhärten müssen, um ihr neues Leben ertragen zu können, und beginnen, verschiedene Übungen auszuführen, die sie irgendwann kalt, skrupellos und dumpf werden lassen.

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Kafkas Sohn von Szilárd Borbély

„Dieser Roman spielt in Osteuropa. In Wirklichkeit ist es gar kein Roman und spielt auch nirgendwo. Er erzählt keine Ereignisse, wie ein Roman sonst Geschichten erzählt, er möchte ihm nur ähneln. In Wirklichkeit erzählt er vom Reisen. Vom Reisen Kafkas, der mit Kafka nicht identisch ist. Das heißt, vom Bleiben an ein und demselben Fleck, ohne dass das Reisen seinen Sinn verlöre. In Wirklichkeit erzählt er nicht von Franz Kafka, dem Sohn Kafkas, sondern vielmehr vom Vater. Das heißt von Kafkas Vater, dem gefürchteten Hermann Kafka.“

Ich war restlos begeistert von Szilárd Borbélys Debütroman Die Mittellosen, der 2013 im ungarischen Original und im Herbst 2014 in deutscher Übersetzung erschienen ist. Den Erscheinungstermin in Deutschland und den internationalen Erfolg seines Romans hat Borbély, der vom Literaturnobelpreisträger Imre Kertész „der vielversprechendste und verlorenste ungarische Dichter“ genannt wurde, nicht mehr erlebt, denn im Februar 2014 hat sich Borbély suizidiert. Kafkas Sohn von Szilárd Borbély weiterlesen

Das Angeln von Piranhas von Tina Ger

„Nichts ist okay. Mein ganzes Leben ist total in sich verhakt. Da kocht etwas in mir, und das will raus.“ (Seite 68)

Schon seit Wochen interessiert sich Luca – verheiratet mit Johanna, 2 Kinder, Wohnung im Prenzlauer Berg – für die Brasilianerin Yara, die als Bedienung in der Kneipe „Lass uns Freunde bleiben“ arbeitet.

Nach einer einzigen miteinander verbrachten Nacht, die Lucas Leben vollkommen auf den Kopf stellt, verschwindet Yara spurlos: Sie ist aus ihrem WG-Zimmer ausgezogen, hat den Job in der Kneipe aufgegeben, hat ihren Flug in die brasilianische Heimat umgebucht.

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