Schlagwort-Archive: Lieblingsbücher 2018

Happy Tokio von Andreas Neuenkirchen

„Die Geschichte lehrt uns: Die beste Zeit, in Tokio zu leben, ist genau jetzt. Denn davon werden wir in zehn bis zwanzig Jahren den Spätgeborenen vorschwärmen. Die werden gütig lächeln und uns den Spaß lassen, bevor sie ihrerseits ein paar Jahre später den jungen Leuten weismachen, dass Tokio leider nie wieder so sein wird wie in den 2030ern und 2040ern. Und sie werden recht haben.“ (Seite 12)

Andreas Neuenkirchen, der seit 2016 mit seiner japanischen Frau und der gemeinsamen Tochter in Tokio lebt, erzählt in Happy Tokio von Stundenhotels und Tempeln, Architektur und Effizienz, Kirschblüten und Pokémon, Pollenallergie und Grippeschutzmasken, Regenzeit und Kakerlakenzeit, Shibuya Crossing und Godzilla, CDs und Vinyl, Raupe Nimmersatt und Krähen, Parks und Bahnhöfen, Nudelrestaurants und Buchläden, Spielplatzdebüt und Banken, Haifischflossensuppe und Walfangschiffen, Yokohama und Hakone, Wohnraum und Erdbebensimulationswagen, Showa-Zeit und Kaisern, Haarschnittmädchen und Geishas, Eulencafé und Maid Cafés, Natto und Tanmen, Reinheitsgebot und Oktoberfest, Karaoke und Konbini, Punktsammelkarten und 100-Yen-Shops, Tätowierungen und Schwimmbädern. Happy Tokio von Andreas Neuenkirchen weiterlesen

Die Ladenhüterin von Sayaka Murata

„Vor allem morgens, wenn der Tag beginnt und die Menschen an unserer fleckenlos polierten Scheibe vorbeieilen, genieße ich meine Arbeit in dem hell erleuchteten Glaskasten. Um diese Zeit erwacht die Welt, und ihre Zahnräder setzen sich in Bewegung. Eines dieser Rädchen bin ich, und ich drehe mich immerfort.“

Die Ich-Erzählerin Keiko Furukura, bereits als Kind sonderbar, etwas verhaltensauffällig und ohne rechtes Gespür für Interaktionen mit anderen Kindern oder mit Erwachsenen, hat auch im späteren Leben kaum Sozialkontakte, ist wenig kompetent im Umgang mit ihren Mitmenschen und ist am liebsten allein.

Als sie während ihrer Studentenzeit zufällig an einem Konbini, einem Convenience Store, vorbeikommt und sieht, dass der Laden Mitarbeiter sucht, bewirbt sie sich für die Stelle.

Es gibt im Laden viele Regeln, so wird Keiko z.B. geschult, wie sie mit Kunden umgehen und wie sie lächeln soll, aber Keiko findet bei der Arbeit ihre Erfüllung: Die Ladenhüterin von Sayaka Murata weiterlesen

Commissaire Le Floch und der Brunnen der Toten von Jean-François Parot

„Zögern Sie nicht, Minen zu legen, aber lösen Sie keine Explosion aus ohne meinen ausdrücklichen Befehl.“ (Seite 48)

Oktober 1761: Commissaire Nicolas Le Floch ist aus dienstlichen Gründen in der Pariser Oper: Der Polizeipräfekt Monsieur de Sartine hat ihn beauftragt, den Saal zu überwachen, da Madame Adélaïde, die Tochter des Königs Louis XV, mit ihrem Gefolge anwesend ist und die Königsfamilie nach einem Attentat auf Louis XV in Angst lebt.

Am Ende des zweiten Aktes wird es in der Königsloge unruhig, und bald stellt sich heraus, dass der Comte und die Comtesse de Ruissec, die beide in der Oper anwesend sind, eine sehr aufwühlende Nachricht erhalten haben: Ihr ältester Sohn Vicomte Lionel war am Abend nach Hause gekommen, sofort in sein Zimmer gegangen und hatte sich darin eingeschlossen. Kurz darauf hatten die Diener einen Schuss gehört.

Vieles deutet auf einen Suizid hin, und einer der Diener erzählt, dass der Vicomte schon seit 20 Tagen Suizidgedanken geäußert hätte. Doch es gibt auch Auffälligkeiten, die für Le Floch nicht ins Bild passen, und sein Gefühl sagt ihm, dass sie es hier mit einem Mord zu tun haben. Commissaire Le Floch und der Brunnen der Toten von Jean-François Parot weiterlesen

13 Stufen von Kazuaki Takano

„Die Japaner denken zwar insgeheim, Verbrecher sollte man hinrichten, aber wenn man das laut sagt, wird man schief angesehen. Das ist die finstere Doppelmoral eines Volkes, das seine wahren Gedanken gern hinter einer Fassade verbirgt.“ (Seite 193f)

Die Todesstrafe wird von der Mehrheit der Japaner befürwortet und kann in Japan für 17 Delikte verhängt werden. Meist handelt es sich um Mord oder ein Verbrechen mit Todesfolge, und auch Personen, die zur Tatzeit noch nicht volljährig waren, können mit dem Tod bestraft werden. Vollstreckt wird die Todesstrafe durch Hängen, und bisweilen müssen die Verurteilten Jahrzehnte auf ihre Hinrichtung warten.

Kazuaki Takano gewährt dem Leser mit seinem Roman 13 Stufen ungewohnt tiefe Einblicke in das japanische Rechtssystem und damit auch in die Komplexität des Themas Todesstrafe. 13 Stufen von Kazuaki Takano weiterlesen

Der Zopf von Laetitia Colombani (Buch und Hörbuch)

„Manchmal, sagt sie sich, rückt das Leben die finstersten und die lichtesten Momente nah zusammen. Es nimmt und gibt gleichzeitig.“ (Seite 129f)

Badlapur, Uttar Pradesh, Indien:
Smita ist eine Dalit. Sie sammelt – wie ihre Mutter vor ihr – die Exkremente anderer Menschen ein und steht in der indischen Gesellschaft an unterster Stelle: „Sie ist nicht nur unberührbar, sie soll unsichtbar sein.“ (Seite 17). Für ihre sechsjährige Tochter Lalita wünscht sich Smita ein besseres Leben und ist bereit, mit all ihrer Kraft dafür zu kämpfen, dass ihre Tochter nicht in ihre Fußstapfen tritt. Der Zopf von Laetitia Colombani (Buch und Hörbuch) weiterlesen

@NATGEO von Ken Geiger,‎ Cory Richards und Kevin Systrom

„Ich glaube daran, dass Fotografien die Welt verändern können.“ (Seite 21, Ken Geiger)

Im Jahre 2012 richtete National Geographic den Instagram-Account @NATGEO ein, der zu einer der wichtigsten Plattformen für National Geographic-Fotografen wurde.

Nach einem Vorwort von Kevin Systrom (Geschäftsführer und Mitbegründer von Instagram), Cory Richards (Fotograf bei National Geographic, für den der @NATGEO-Account initial eingerichtet wurde) und Ken Geiger (ehemaliger stellvertretender Leiter für Fotografie bei National Geographic) werden im Bildband @NATGEO die besten Bilder aus dieser umfangreichen Sammlung vorgestellt. Darunter befinden sich Bilder von Städten und Landschaften, Menschen und Tieren, Architektur und Streetart, Umweltkatastrophen etc. @NATGEO von Ken Geiger,‎ Cory Richards und Kevin Systrom weiterlesen

Spuren der Sterne. Die Ursprünge des Lebens in Kosmos und Tiefsee von Ute Wilhelmsen und‎ Till Mundzeck

„Wo auch immer sie stattgefunden haben, die ersten Zuckungen des Lebens, letztlich sind wir alle Sternenstaub, wie es der Astronom Carl Sagan formulierte. Denn fast alle chemischen Elemente, aus denen die Materie und damit auch wir selbst bestehen, haben ihren Ursprung in Sternen und ihren Explosionen.“ (Seite 38)

Ute Wilhelmsen und Till Mundzeck beschäftigen sich in Spuren der Sterne mit dem Kosmos und der Tiefsee, denn beide sind „kalt, dunkel, fern und geheimnisvoll“ und „beide stecken vielleicht voller Leben, das noch vollkommen unbekannt ist“ (Seite 8). Die Autoren erzählen u.a. von der Entstehung des Lebens, von der Suche nach Leben, von ungewöhnlichen Lebensformen, von Robotern, die bei der Erkundung von Tiefsee und Universum helfen, und von Missionen wie Rosetta. Spuren der Sterne. Die Ursprünge des Lebens in Kosmos und Tiefsee von Ute Wilhelmsen und‎ Till Mundzeck weiterlesen

Dunkelgrün fast schwarz von Mareike Fallwickl

„Und jetzt, ohne das Licht, kann er deutlich sehen, was er vorhin schon vermutet hat. Das Grün ist dunkler geworden, viel dunkler, tief und massiv, fast schwarz.“

Marie zieht 1986 mit ihrem dreijährigen Sohn Moritz und ihrem Baby Sophia nach Hallein, ein einsames Bergdorf. Ihr Mann Alexander bleibt vorerst in Wien, beendet dort sein Medizinstudium und folgt seiner Familie später nach Hallein, um dort eine Praxis zu übernehmen.

Das Leben in Hallein ist einsam: Marie und Moritz kennen im Dorf niemanden, haben keine Kontakte und keine Freunde. Dann begegnet Marie auf dem Spielplatz einer anderen Mutter, Sabrina, mit deren Sohn Raffael sich Moritz sofort anfreundet.

Obwohl Raffael Moritz‘ einziger Freund ist, ist Marie wenig begeistert von dieser Freundschaft, denn Raffael ist ein Tyrann, der im Laufe der Jahre immer unheimlicher, berechnender, unberechenbarer und gefährlicher wird. Er beißt seinen kleinen Bruder und auch Moritz, schikaniert andere Kinder und bringt sie um ihr Taschengeld, manipuliert und erpresst andere. Dunkelgrün fast schwarz von Mareike Fallwickl weiterlesen

Frauen dürfen hier nicht träumen von Rana Ahmad

„Wie kann es sein, dass es für sie so selbstverständlich ist, frei zu sein, während es mir erscheint, als sei es das Größte und Ungeheuerlichste, das man sich vorstellen kann?“ (Seite 217)

Ich muss zugeben, dass ich eher vorsichtig bei Tatsachenberichten über Frauen aus islamischen Ländern bin, denn allzu schnell fühle ich mich an Negativbeispiele wie Nicht ohne meine Tochter erinnert, die allerlei Schubladen bedienen, Vorurteile eher verstärken als Aufklärung zu bieten, Ablehnung und Unwissen erhöhen statt Verständnis und Wissen zu vermitteln und Halbwissen zu eliminieren.

Frauen dürfen hier nicht träumen hätte ich aufgrund des Titels wohl eher nicht in die Hand genommen. Ich habe es einzig und allein deshalb getan, weil Richard Dawkins, den ich sehr schätze, auf dem Einband zitiert wird. Und ich dachte: „Was Dawkins lesenswert findet, muss inhaltlich gut und wichtig sein.“. Mit dieser Einschätzung lag ich goldrichtig, denn Frauen dürfen hier nicht träumen ist ein komplexes, ein ausgezeichnet geschriebenes und ein sehr bewegendes Buch, das ich jedem empfehle, der Einblicke in das Leben einer Frau in Saudi-Arabien erhalten möchte, und jedem ans Herz lege, der der Meinung ist, aus so einem Land müsse man nicht fliehen. Frauen dürfen hier nicht träumen von Rana Ahmad weiterlesen

Die Ermordung des Commendatore. Band 1: Eine Idee erscheint von Haruki Murakami (Buch und Hörbuch)

„Hin und wieder kann man in unserem Leben die Grenze zwischen Realität und Illusion nicht richtig ziehen. Die Grenze scheint unablässig in Bewegung zu sein und zu variieren.“ (Seite 291)

Nach der plötzlichen Trennung von seiner Frau, mit der er sechs Jahre zusammen war, verliert der Ich-Erzähler die Orientierung und den Bezug zu sich:

„Und wo soll ich jetzt hin? […] Wie weit ist es mit mir gekommen? Wo bin ich? Und noch dringlicher: Wer bin ich überhaupt?“ (Seite 36).

Er macht sich spontan auf eine mehrmonatige Reise durch Japan und lässt sich danach im Haus des Vaters seines Freundes Masahiko Amada nieder.

Dieses abgelegene Haus steht schon länger leer, da der Vater, Tomohiko Amada, dement ist und in einer edlen Seniorenresidenz lebt. Tomohiko Amada war Maler – genau wie der Ich-Erzähler, der sein Geld mit Porträtmalerei verdient -, und so gibt es in dem abgelegenen Haus, neben vielen Büchern und Schallplatten, einem Garten und einem Schrein, auch ein Atelier.

Nach der Trennung von seiner Frau will der Ich-Erzähler der Porträtmalerei den Rücken kehren und lieber für sich selbst und in seinem eigenen Stil malen. Doch er bringt nichts zustande, ist nicht kreativ, findet nicht zu seinem früheren Können zurück. Die Ermordung des Commendatore. Band 1: Eine Idee erscheint von Haruki Murakami (Buch und Hörbuch) weiterlesen