Ich interessiere mich für Politik und Geschichte im Allgemeinen und für Afrika, (Bürger-) Kriege, Kolonialismus, das Dritte Reich, Terrorismus und Extremismus u.v.m. im Besonderen. Heute möchte ich deshalb Bücher für Leser vorstellen, die sich auch gerne mit den düsteren Seiten des Lebens beschäftigen. Dabei sind die Themen sehr gemischt, so dass für jeden Düsterling etwas dabei sein sollte.
Secondhand-Zeit von Swetlana Alexandrowna Alexijewitsch
Über Interviews, die Swetlana Alexandrowna Alexijewitsch als Journalistin führte, fand die weißrussische Autorin ukrainischer Abstammung zu einer eigenen literarischen Gattung, dem dokumentarischen Roman in Stimmen. In Secondhand-Zeit gibt Alexijewitsch einer Vielzahl von Personen eine Stimme: Menschen, die die gesellschaftlichen Veränderungen im Rahmen von Perestroika, der Öffnung des Eisernen Vorhangs und dem Zerfall der Sowjetunion am eigenen Leib erlebt haben und die mit Alexijewitsch von ihren Hoffnungen und Enttäuschungen, von der Zeit der gebrauchten Ideen, von der „Secondhand-Zeit“ sprechen. [Hier geht’s zu meiner ausführlichen Rezension.]
Schmetterling und Taucherglocke von Jean-Dominique Bauby
Im Alter von 43 Jahren erlitt Jean-Dominique Bauby, Chefredakteur der Elle, einen Hirnstamm-Infarkt, woraufhin er vollständig gelähmt war, nicht sprechen und nur durch Blinzeln mit seiner Umwelt interagieren konnte. Schmetterling und Taucherglocke wurde von Bauby mit seinem linken Augenlid diktiert. Bauby starb nur wenige Tage nach der Erstveröffentlichung in Frankreich an Herzversagen.
Gott und die Krokodile von Andrea Böhm
Die Journalistin Andrea Böhm unternimmt eine abenteuerliche Reise in die Demokratische Republik Kongo und erkundet „das Herz der Finsternis“ von Westen nach Osten. Sie begibt sich unter anderem in die Hauptstadt Kinshasa, in die Provinz West-Kasai, nach Mbuji-Mayi sowie nach Bukaru an der Grenze zu Ruanda. sErgänzt werden Böhms Reisebeschreibungen und politischen Hintergrundinformationen durch einige Abbildungen (schwarz-weiß und farbig), eine Zeittafel sowie eine Karte des Kongo.
Tiger, Tiger von Margaux Fragoso
Im Alter von 7 Jahren lernt Margaux Fragoso den 51-jährigen Peter Curran kennen. Sie kommt aus einem schwierigen Elternhaus, lebt ein trostloses Leben: die Mutter schwer psychisch krank, der Vater gewalttätig, die Wohnung schäbig, keine Freunde, keine Geschwister. Peter bietet ihr eine andere Welt, spielt mit ihr, stellt kaum Regeln auf, nimmt sie ernst, macht ihr Komplimente. Doch dann kommt es zu den ersten physischen Annäherungen und eine 15-jährige Beziehung aus Liebe, Hass, Missbrauch und Abhängigkeit entsteht.
Die Hundeesser von Svinia von Karl-Markus Gauß
Karl-Markus Gauß hat eine Reportage über slowakische Slums geschrieben, allen voran die Vorhölle Svinia, wo 700 Roma leben, die sogar von anderen Roma ausgegrenzt und verachtet werden, da sie als Hundeesser gelten. Neben der Beschreibung der Zustände in den slowakischen Slums erzählt Gauß von der Geschichte der Roma von 1945 bis heute, von der Eingliederung in die tschechoslowakische Gesellschaft zu Zeiten des Sozialismus über reihenweise Sterilisierungen in den letzten Jahren vor Beendigung des Kalten Krieges bis zum EU-Beitritt der Slowakei und der Vertreibung der Roma aus ihren Häusern und ihrem bisherigen Leben.
Ein schönes Attentat von Assaf Gavron
Eitan Einoch, ein erfolgreicher Israeli, überlebt im Abstand von wenigen Tagen mehrere Attentate. Er wird der Held Israels, der dem Tod drei Mal entrinnen konnte, doch sein Leben gerät mehr und mehr aus den Fugen, er findet nicht mehr zurück in seinen Beruf und entfremdet sich von seiner Freundin. Eitan trifft schließlich auf Fahmi – Palästinenser und Drahtzieher der Attentate. [Hier geht’s zu meiner ausführlichen Rezension.]
Ach, Afrika von von Bartholomäus Grill
Bartholomäus Grill, langjähriger Afrika-Korrespondent der Zeit, berichtet von den unterschiedlichen Facetten des „schwarzen Kontinents“: vom verfluchten und verlorenen Afrika des Elends, der Grausamkeit, der Kriege, der Slums und des Hungers, von den Folgen des Sklavenhandels und der Kolonisierung, vom Kampf um Unabhängigkeit, von Dekadenz und Reichtum, von HIV und AIDS, von großen Niederlagen und von der Schönheit des Kontinents, von der unbändigen Lebenslust, vom ewigen Kampf ums Überleben, von Heiterkeit, Hoffnung und Zuversicht.
Daldossi oder Das Leben des Augenblicks von Sabine Gruber
Bruno Daldossi ist Kriegsfotograf und hat anscheinend schon alles, was es an Leid und Elend gibt, vor Ort erlebt und auf Fotos festgehalten. Als Daldossi von seiner langjährigen Lebensgefährtin Marlis verlassen wird, verliert er jeden Halt, denn Marlis war stets für ihn da, wenn er aus einem Kriegsgebiet nach Wien zurück kam. In Daldossi oder Das Leben des Augenblicks erzählt Sabine Gruber von Daldossis Arbeit als Kriegsfotograf, wie seine Kriegserlebnisse und -erfahrungen sein Leben und seine Beziehung mit Marlis geprägt haben und wie ihn das Erlebte noch nach Jahrzehnten verfolgt. [Hier geht’s zu meiner ausführlichen Rezension.]
Untergrundkrieg von Haruki Murakami
Am 20.3.1995 verübten Anhänger der Aum-Sekte einen Giftgasanschlag auf die U-Bahn in Tokyo, bei dem 12 Menschen starben und Tausende verletzt wurden. Ein Jahr später hat Haruki Murakami Opfer des Sarin-Anschlags interviewt, und schließlich hat er auch Mitglieder von Aum zum Anschlag und zu ihrem Leben mit und in der Sekte befragt.
Der totale Rausch von Norman Ohler
Die Verbreitung von Drogen im Dritten Reich war bisher ein eher unbekanntes Thema, und eine umfassende Darstellung, wie Rauschmittel den Alltag im Dritten Reich und den Verlauf des Zweiten Weltkriegs prägten, fehlte bislang. Für sein Buch hat Norman Ohler unzählige, oftmals unveröffentlichte Quellen recherchiert. In Der totale Rausch erzählt er von der Volksdroge Pervitin (Methamphetamin, heute bekannt als Crystal Meth), die 1938 in den Temmler-Werken entwickelt wurde, vom extensiven Gebrauch der Droge in der Allgemeinbevölkerung, vom Einsatz von Pervitin im Zweiten Weltkrieg, von Blitzkrieg und Kriegsverlauf, von Adolf Hitler und seinem Leibarzt Theodor Morell, von Kriegsende und Hitlers Suizid.
Mein Name ist Luz von Elsa Osorio
Luz Iturbe trifft sich in Madrid mit einem Unbekannten, der ihr Vater ist, und erzählt ihm von ihrem Leben: von ihrer Mutter Liliana, die schwanger im argentinischen Gefängnis saß, für deren Kind sich sowohl die Ex-Prostituierte Miriam und ihr Lebensgefährte El Bestia als auch die Familie eines hohen Militärs interessierten, von ihrer Kindheit bei Eltern, die nicht die leiblichen Eltern waren, von der Unwissenheit über die eigene Herkunft, von der Praxis von Kindesentführungen in der Zeiten der Militärdiktatur Argentinien.
In Afrika von Alex Perry
Alex Perry erzählt in seinem Buch In Afrika von der Geschichte und Politik verschiedener afrikanischer Staaten, vom Versagen der Hilfsorganisationen und vom neuen Afrika als „Ort zorniger Selbstbehauptung“, von Reichtum und Armut, Korruption und Gewalt, Entdeckungsreisenden und Kolonialismus, Diktaturen und Diktatoren, Gefängnis und Folter, HIV und AIDS, Ursachen und Auswirkungen von Hilfsmaßnahmen, Biolandwirtschaft und Hunger, Apartheid und security estate, Terrorismus und Islamismus, bin Laden und Boko Haram, Kokain und Drogenkartellen, Klimakriegen und Bürgerkriegen.
Schmerz von Zeruya Shalev
Iris kennt den Schmerz: körperlichen Schmerz, der sie nach einer schweren Verletzung bei einem Terroranschlag seit 10 Jahren tagtäglich begleitet, und seelischen Schmerz, dem sie seit fast 30 Jahren ausgesetzt ist, nachdem ihre große Liebe Eitan sie verlassen hat. Nun führt ausgerechnet der körperliche Schmerz dazu, dass sie Eitan nach all den Jahren wiedersieht, denn er arbeitet als Schmerzspezialist. Nach dieser Begegnung gerät Iris‘ Leben durcheinander, sie stellt ihre Partnerschaft, ihre Familie und die letzten Jahrzehnte in Frage, genießt das Gefühl, ihre große und einzige Liebe wiedergefunden zu haben, und steht kurz davor, alles für Eitan aufzugeben.
Menschentier von Indra Sinha
1984 ereignete sich im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh die „Katastrophe von Bhopal“, bei der in einem Werk des amerikanischen Chemiekonzerns Union Carbide Corporation mehrere Tonnen giftiger Stoffe freigesetzt wurden. Schätzungen der Opferzahlen reichen von 3800 bis 25000 Toten durch den unmittelbaren Kontakt mit der Gaswolke. In Indra Sinhas Roman werden die Ereignisse von Bhopal nach Khaufpur verlegt. Im Mittelpunkt des Romans steht Animal, ein 19-jähriger Junge, der durch den Chemieunfall seine Familie verloren hat, dessen Rücken sich im Alter von 6 Jahren völlig verdreht hat und der sich nur auf vier Gliedmaßen fortbewegen kann. Animal bespricht Kassetten eines Journalisten und erzählt seine Geschichte, berichtet von den Bewohnern von Khaufpur, vom Elend der Armen und von der Ignoranz des verantwortlichen US-Konzerns. [Hier geht’s zu meiner ausführlichen Rezension.]
Mein afrikanisches Tagebuch von Marietta Slomka
Marietta Slomka hat den afrikanischen Kontinent bereist und möchte den Blick des Lesers auf Afrika weiten. Dies ist ihr meiner Meinung nach sehr gut gelungen. Ich habe schon sehr viel über Afrika gelesen und bin hier trotzdem immer wieder auf Neues gestoßen. Slomka schafft ein komplexes Bild Afrikas, zeigt bekannte und weniger bekannte Seiten der einzelnen Länder, Positives wie Negatives, betrachtet Dinge aus einem anderen Blickwinkel. Sie berichtet von einem Ruanda zwischen Genozid und dem Traum vom Singapur Zentralafrikas, von einem Äthiopien zwischen bitterer Armut und Wirtschaftswachstum, von einem Kenia zwischen Massensafaris und Luxuslodges, von einem Angola zwischen Slums und Rohstoffreichtum sowie von einem Mosambik zwischen Taucherparadies und Landminen.
Boko Haram von Mike Smith
Mike Smith erzählt in seinem Buch Boko Haram nicht nur von der Geschichte der islamistischen Sekte, sondern auch von der Geschichte Nigerias: von Islamisierung und dem Kalifat von Sokoto, von Kolonialismus und Unabhängigkeit, von Bürgerkrieg und Diktatur. Er beschreibt den Aufstieg des Boko Haram-Führers Mohammed Yusuf, seinen Tod und das darauffolgende (kurzzeitige) Verschwinden von Boko Haram, das Wiederauftauchen der Sekte mit Abubakar Shekau an der Spitze und die Gewalttaten, durch die Boko Haram auch in der westlichen Welt bekannt geworden ist.
Inside IS von Jürgen Todenhöfer
Jürgen Todenhöfer berichtet in Inside IS einleitend von Al Qaida und Abu Musab Al Zarkawi, von Osama bin Laden und Ayman Al Zawahiri, von IS/ISI/ISIS und Abu Bakr Al Baghdadi, von der Geschichte des Islamischen Staates und dem Einfluss der USA. Dabei zieht er Parallelen zu anderen Epochen, Regionen und zu den Angriffskriegen des Westens und macht so deutlich, dass der Terror des IS nicht neu ist und worin die Ursachen für das Entstehen und das Erstarken des IS liegen. [Hier geht’s zu meiner ausführlichen Rezension.]
Ein wenig Leben von Hanya Yanagihara
Jude, Malcolm, J.B. und Willem haben sich am College kennengelernt und sind auch Jahre später noch eng befreundet. Zwar beschreibt Hanya Yanagihara in Ein wenig Leben die berufliche und persönliche Entwicklung der vier Freunde und ihre Beziehung zueinander, ihre Konflikte und ihre Freundschaft, doch im Mittelpunkt des Romans steht Jude, der als Anwalt Karriere gemacht hat, der beliebt und charismatisch ist, den jedoch keiner der Freunde wirklich zu kennen scheint, denn Jude erzählt nichts von seiner Kindheit und Jugend, die Freunde wissen nicht, woher er kommt und woher die entsetzlichen Schmerzen in seinen Beinen stammen. Wie die drei Freunde und andere Vertraute Judes (sein Arzt Andy sowie Harold und seine Frau Julia, die den erwachsenen Jude adoptierten) erfährt auch der Leser nach und nach von Judes Vergangenheit, von seinem Leid und seinen Schmerzen. Die Geschichte entblättert sich dabei mit Rückblenden und Spannung erzeugenden Szenewechseln Schicht für Schicht, so dass die fast 1000 Seiten bzw. 2000 Hörminuten fast durchweg fesselnd sind. [Hier geht’s zu meiner ausführlichen Rezension.]
Der Luzifer-Effekt von Philip Zimbardo
Philip Zimbardo erzählt sehr detailliert von seinem berühmten Stanford Prison Experiment, von der Vorbereitung, der Durchführung, den Problemen und seiner Interpretation. Seine Forschungsergebnisse setzt er schließlich in Beziehung zu Ereignissen wie dem Genozid in Ruanda und den Folterskandalen in Abu Ghraib.
Dieser Post ist Teil des Themas „Geschenkideen“ im Dezember 2017.