Sechs Koffer von Maxim Biller

„Es gibt schlechten und es gibt guten Verrat.“ (Bertolt Brecht: Flüchtlingsgespräche)

Schmil Grigorewitsch wurde vom KGB verhaftet und hingerichtet. Wurde er von seiner eigenen Familie verraten? Möglich wäre das, denn einige der Familienmitglieder verhalten sich durchaus auffällig, z.B. Schmils Sohn Dima, der fünf Jahre im berühmt-berüchtigten Prager Gefängnis Pankrác einsaß – wo übrigens auch der Regimekritiker und spätere Staatspräsident Václav Havel seine Gefängnisstrafe abbüßte – und sich dort mit dem Geheimdienst einließ.

Maxim Biller erzählt in seinem Roman Sechs Koffer, der autobiografische Züge aufweist, von drei Generationen einer jüdischen Familie, die ursprünglich aus Russland stammt und deren Mitglieder in die halbe Welt emigrieren, u.a. in die Tschechoslowakei, nach Deutschland, in die Schweiz und nach Brasilien. Der rote Faden der Geschichte ist dabei der Verrat, der zum Tod des Familienoberhaupt, des Taten, geführt hat, und das damit verbundene Familiengeheimnis, das auch über Jahrzehnte hinweg wohlbehütet ist und nicht gelüftet wird.

Mir fiel der Einstieg ins – von Christian Brückner exzellent gelesene – Hörbuch eher schwer, und ich habe den Anfang der Geschichte mehrmals gehört bzw. schließlich noch die Leseprobe gelesen, weil ich einfach keinen Zugang finden konnte und mich die Geschichte initial eher verwirrt hat.

Nach diesem eher schwergängigen Einstieg hat mir Sechs Koffer, übrigens meine erste Begegnung mit Biller, mit der anspruchsvollen Sprache und den Einblicken in ein Familienleben vor und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs jedoch gut gefallen.

Erstaunlich finde ich, dass Biller auf so wenigen Seiten eine so komplexe und ausführliche Geschichte erzählen kann, auch wenn ich finde, dass die Protagonisten eher farblos geblieben sind.

Sechs Koffer erzählt von Verrat und Integrität, von Wahrheit und Lüge, von Geheimnissen und dem Drang zu wissen und zu verstehen.

Der Roman stand auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2018.

Maxim Biller: Sechs Koffer. Ungekürzte Lesung von Christian Brückner. Argon Verlag, 2018; 19,95 Euro.

Dieser Post ist Teil des Monatsthemas „Tschechien und Slowakei“ im Juli 2019.

3 Gedanken zu „Sechs Koffer von Maxim Biller“

  1. Liebste Romy,

    schön, dass auch du dieses Buch gehört hast und Schwierigkeiten hattest! 🙂

    Mir ging es wie dir! Ich habe das Buch sogar zweimal gehört, weil ich das Gefühl hatte, den Roten Faden verloren zu haben. Mein Fazit fällt aber nicht ganz so positiv aus. Die von dir angesprochene anspruchsvolle Sprache habe ich nicht gefunden. Ich fand die Sprache sogar ziemlich trivial, also, wirklich nichts Besonderes. Zu den Figuren hatte ich auch keinen Zugang und dass das Familiengeheimnis, dass mich am Ball der Geschichte blieben ließ, am Ende nicht aufgelöst wurde, deprimierte mich schon sehr.

    Es war ein interessantes Thema und eine spannende Umsetzung, die mich nicht ganz erreichen und überzeugen konnte. Ein für mich eher durchschnittliches Buch, das ich nicht auf die Longliste für den Deutschen Buchpreis gesetzt hätte.

    GlG, monerl

    1. Liebe Moni,

      sooo viele Kommentare! Toll, das ist wie Kommentierweihnachten, gefällt mir sehr.

      Ich habe den Anfang gefühlte 1000 Mal angehört und dann ja sogar noch gelesen, weil ich dachte, dass das doch nicht sein kann, dass ich so verwirrt bin. Buchpreisnominierung versteh ich auch nicht, aber ich glaube soundso langsam, dass ich keine Buchpreisleserin bin. Ich lese ja eher selten deutschsprachige Autoren, irgendwie finde ich da immer schlecht Zugang. Keine Ahnung, woran das liegt.

      Liebe Grüße (und danke für die Verlinkung in deiner Rezension),
      Romy

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