„Stell dir vor, du würdest hier leben. Und Millionen Menschen würden plötzlich aus aller Welt herkommen.“
„Auch in unser Land sind Millionen gekommen […]. Als in den Nachbarländern Krieg geherrscht hat.“
„Das war was anderes. Unser Land war arm. Wir hatten nicht das Gefühl, dass wir etwas zu verlieren hätten.“
Saeed und Nadia könnten nicht gegensätzlicher sein: Er wohnt noch bei seinen Eltern und ist religiös, sie hat mit ihrer Familie gebrochen, um allein leben zu können, fährt Motorrad und lebt säkular. Beide wohnen in einer namenlosen Stadt, treffen bei einem Abendkurs aufeinander, verbringen mehr und mehr Zeit miteinander und verlieben sich schließlich ineinander.
Als das Leben in ihrer Heimatstadt jeden Tag gefährlicher wird, bitte Saeed Nadia, zu ihm und seinen Eltern zu ziehen, und als Terror und Krieg immer näher kommen, entschließen sich die beiden, die Stadt endgültig zu verlassen und ihr Glück in der Fremde zu suchen.
Vor mehreren Jahren habe ich Der Fundamentalist, der keiner sein wollte mit großer Begeisterung gelesen, so dass ich schon sehr gespannt auf Mohsin Hamids neuen Roman Exit West war.
Der Einstieg in den Roman hat mir sehr gut gefallen, und die Schilderungen, wie sich Saeed und Nadia kennengelernt haben, wie sie leben, woher sie stammen und in welchem Milieu sie aufgewachsen sind, empfand ich als spannend und lebendig beschrieben. Auch die Szenerie mit den zunehmend verschärften Lebensbedingungen in der namenlosen Stadt und die unheimliche Stimmung, die über der Stadt liegt, wurden perfekt eingefangen. Dabei wurden die Protagonisten authentisch gezeichnet, und die einfache Sprache hat dafür gesorgt, dass sich der Roman schnell und flüssig lesen ließ.
Dennoch ist der Funke bei mir nicht übergesprungen, und ich habe mich den Figuren nicht nah gefühlt und konnte mich nicht ganz auf die Geschichte einlassen. Im Verlauf empfand ich Exit West sprachlich häufig als etwas zu gestelzt und hölzern, und auch der magisch-realistisch anmutende Kniff mit den Türen, die an einen anderen Ort führen, wurde meiner Meinung nach nicht so eingeführt und beschrieben, dass er glaubwürdig erscheint, obwohl dieser Aspekt als Metapher für das Durchschreiten einer Pforte in eine andere Welt und das Eintreten ins Ungewisse durchaus Potenzial gehabt hätte.
Spannend fand ich, wie genau Hamid die durch die Flucht und den Neuanfang an einem anderen Ort erzeugten Veränderungen an Saeed und Nadia geschildert hat, und auch die Tatsache, dass er die Hoffnungslosigkeit, die Verzweiflung und die Angst am Beispiel der beiden Hauptprotagonisten aufzeigt und den Flüchtenden im Allgemeinen so ein Gesicht und eine Stimme geben kann, hat mir gut gefallen.
Exit West stand 2017 zusammen mit 4 3 2 1 von Paul Auster, Eine Geschichte der Wölfe von Emily Fridlund, Das Ministerium des äußersten Glücks von Arundhati Roy, Lincoln im Bardo von George Saunders, Hausbrand von Kamila Shamsie, The Underground Railroad von Colson Whitehead u.a. auf der Longlist des Man Booker Prize.
Mohsin Hamid: Exit West. Aus dem Englischen von Monika Köpfer. DuMont Buchverlag, 2017, 222 Seiten; 22 Euro.
Dieser Post ist Teil des Pakistan-Monatsthemas im April 2020.