„Der Hügel von Capodimonte ruht auf einer Reihe Höhlen. Unter den Schritten hallt das Echo einer alten Katastrophe.“ (Seite 161)
Vincenzina Umbriello stammt aus Villaricca, einer kampanischen Gemeinde, die in den 1950er Jahren weniger als 7.000 Einwohner und zu Beginn des 21. Jahrhunderts bereits 26.000 Einwohner hatte.
Vincenzinas Familie ist arm, Vincenzina ist Analphabetin, das Leben hält nicht allzu viel für sie bereit. Dann geht sie als Hausmädchen nach Neapel und trifft dort auf Rafele Maiorana, dem Sprössling einer reichen, großbürgerlichen Familie. Die beiden verlieben sich ineinander, doch Rafeles Familie will Vincenzina los werden, bietet ihr Geld, damit sie die Verlobung löst und Rafele verlässt. Doch Vincenzina bleibt bei dem Mann, den sie liebt.
Bis zur Lektüre von Elena Ferrantes Neapolitanischer Saga (Hier geht‘s zu meinen Rezensionen zu Band 1, Band 2, Band 3 und Band 4) war mir „Capodimonte“ kein Begriff, doch seit ich mit großer Begeisterung Ferrantes Saga gelesen habe, weiß ich mit dem Namen etwas anzufangen, so dass allein schon der deutsche Titel von Wanda Marascos Roman mein Interesse geweckt hat.
Am Hügel von Capodimonte weist einige Parallelen zu Ferrantes Saga auf: die Stadt Neapel, die Zeit, in der der Roman spielt, und die Tatsache, dass es um eine Familiengeschichte geht. Ansonsten sind Marasco und Ferrante aber wenig vergleichbar – wo Ferrante von Anfang an fesselt und den Leser begeistern kann, macht es Marasco dem Leser nicht ganz einfach, in ihre Geschichte einzudringen.
Marascos Sprache ist anspruchsvoll und poetisch, sie verwendet magisch-realistische Elemente, schreibt lange Sätze, gibt inhaltlich bisweilen Rätsel auf. Obwohl Ferrante auch von negativen Aspekten Neapels wie Armut, Gewalt und Camorra schreibt, ist Marascos Neapel auf ganz andere Weise düster. Am Hügel von Capodimonte ist von einer unheilvollen Stimmung geprägt, die sich meiner Meinung nach mehr auf die Beschreibung von Schauplätzen statt auf die Schilderung von zwischenmenschlichen Beziehungen und historischen Ereignissen bezieht, obgleich auch diese wie eine dunkle Wolke über der Geschichte liegen.
Ich musste mich zugegebenermaßen erst in den Roman einlesen, doch war dann vollends verzaubert von Marascos Roman, auch wenn ich gegen Ende wieder weniger gefesselt wurde von der Geschichte.
La Repubblica Napoli schrieb über den Roman, dass er „wie ein Haus mit unendlich vielen Zimmern, die miteinander verbunden sind“ ist. Dem schließe ich mich an: Am Hügel des Capodimonte ist wie ein großes, verwinkeltes Haus, in dem man sich vorsehen muss, damit man nicht verloren geht. Aber auch ein Haus, in dem man auf wunderliche Dinge stößt, in dem man verborgene Winkel und magisch anmutende Dinge entdeckt. Ein Haus, in dem man sich verlieren kann und dessen Geschichten man voller Faszination und Spannung lauschen kann.
Ich habe mich bisweilen in Marascos Haus verirrt. Aber gestaunt habe ich trotzdem.
Wanda Marasco: Am Hügel von Capodimonte. Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki: Zsolnay, 2018, 240 Seiten; 22 Euro.