„Bald ist alles vorbei, und ein neues Leben fängt an.“
Lydia Benecke ist eine deutsche Kriminalpsychologin und Psychotherapeutin, die mit schweren Straftätern arbeitet und über ihre Erfahrungen und Erlebnisse bereits in mehreren populärwissenschaftlichen Büchern berichtet hat. Psychopathinnen war meine erste Begegnung mit ihr, und obwohl ich wegen des reißerisch klingenden Titels erst unschlüssig war, ob ich das Buch überhaupt lesen soll, war die Neugier stärker, denn auch ich habe mich im Rahmen meines Psychologie-Studiums und meiner wissenschaftlichen und klinischen Arbeit schon etwas intensiver mit Themen wie Persönlichkeitsstörungen, Gewalt und Kriminologie beschäftigt.
Psychopathinnen hält nicht, was der reißerische Titel verspricht, sondern ist erfreulich sachlich und informativ. Benecke erzählt detailreich von verschiedenen Frauen, die Cluster B-Persönlichkeitsstörungen haben und straffällig wurden. Dabei beschreibt Benecke auch die Taten selbst, so dass es bisweilen brutal und unappetitlich wird, aber auch in diesen Passagen driftet die Autorin nicht in blutrünstige und sensationsheischende Schilderungen ab, sondern zeigt auf, was die Folgen von traumatischen Kindheitserlebnissen sind, wie die Betroffenen denken und fühlen bzw. was sie nicht fühlen und aus welchen Beweggründen die Frauen straffällig werden.
Nach einem kurzen Exkurs in die Literatur- und Filmwelt stellt Benecke mehrere Frauen vor, die die Kriterien für eine Psychopathie erfüllt haben, z.B. Emily Horne, Susan Smith und Aileen Wuornos. Zwischen den detailreich erzählten Biografien der Frauen, anhand derer der Leser nachvollziehen kann, wie die Frauen zu Straftäterinnen wurden, erklärt Benecke, welche Folgen sexueller Missbrauch haben kann, welche Persönlichkeitsstörungen es gibt (dabei liegt der Fokus auf den sogenannten Cluster B-Persönlichkeitsstörungen: Borderline-Persönlichkeitsstörung, antisoziale PS, narzisstische PS und histrionische PS), was eine Bipolar-Störung ausmacht und was man unter Münchhausen-by-proxy versteht.
Aufgrund meines eigenen Psychologie-Studiums und meiner Tätigkeit als Psychologin sind mir die oben genannten Themen zwar bekannt und geläufig, aber nichtsdestotrotz habe ich durch Benecke Neues kennengelernt und konnte mein Wissen über Psychopathie erweitern.
Das Buch ist packend und spannend erzählt, lässt sich leicht und flüssig lesen und hat mich bisweilen sehr aufgewühlt, vor allem das Kapitel zum Thema Münchhausen-by-proxy.
Psychopathinnen ist sicherlich nicht mein letztes Buch von Benecke, auch wenn mich die recht reißerischen Titel nach wie vor etwas abschrecken, aber mir ist durchaus bewusst, dass sich so etwas besser verkauft als ein Buch mit einem schnöden, sachlichen Titel. Aus inhaltlicher Sicht kann ich das Buch aber allen empfehlen, die sich mehr mit weiblichen Straftätern und mit Persönlichkeitsstörungen beschäftigen wollen.
Lydia Benecke: Psychopathinnen. Die Psychologie des weiblichen Bösen. Bastei Lübbe, 2018, 432 Seiten; 13,99 Euro (Kindle Edition) bzw. 18 Euro (broschiert).
Dieser Post ist Teil des True Crime-Monatsthemas im Dezember 2019.