Was wir glauben, wer wir sind. Vom Mut, sich neu zu denken. Geschichten aus der Psychotherapie von Nesibe Özdemir

„Denn Glaubenssätze sind nichts Pathologisches. Sie sind vollkommen normal. Weil sie uns alle betreffen und wir damit die Norm sind.
Auch deine Glaubenssätze können hinderliche Annahmen über dich selbst beinhalten und im Zusammenspiel mit vielen weiteren bio-psychosozialen Faktoren zu einer behandlungsbedürftigen Erkrankung führen. Dennoch haben sie ihre Daseinsberechtigung, denn es gab mal eine Zeit in unserem Leben, in der sie die beste Erklärung für die Informationen waren, die wir von der Welt erhalten haben. Sie haben uns das Leben, die Menschen und die Welt erklärt. Sie wurden zu unserem inneren Kompass. Aber wir wachsen und reifen und das Leben um uns herum verändert sich mit uns. Daher ist es Zeit, den alten Kompass auf seine Richtigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls neu auszurichten.“
(Seite 11f)

Nesibe Özdemir ist Psychologische Psychotherapeutin in eigener Praxis und erzählt in ihrem Buch von Glaubenssätzen und Glaubenssystemen. Hierfür stellt sie Fallgeschichten vor, berichtet von den Glaubenssätzen verschiedener Personen, deren Leben und von den Konsequenzen der Glaubenssätze.

Ich befinde mich aktuell in Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie) und beschäftige mich in meiner täglichen Arbeit und in der Selbsterfahrung (natürlich) extrem viel mit Glaubenssätzen/Schemata/Grundüberzeugungen. Ich habe das Buch gelesen, weil ich erstens gerne Geschichten aus der Psychotherapie lese und zweitens das Thema Kognitionen (bei mir und bei anderen) ungeheuer spannend finde.

Ich empfand Was wir glauben, wer wir sind als sehr unterhaltsam geschrieben und gleichzeitig als sehr fundiert und sehr lehrreich. Dabei glaube ich, dass auch Laien im Bereich der Psychotherapie Özdemirs Ausführungen sehr gut folgen können, denn sie beschreibt sehr detailliert und sehr lebendig, bietet so eine gelungene Einführung ins Thema.

Ich habe mir im Buch sehr viele Sätze markiert, die einfach ins Schwarze treffen, zum Nachdenken anregen und/oder gut veranschaulichen, worum es bei der Arbeit an Kognitionen geht, warum das wichtig ist, wie man den Glaubenssätzen auf die Spur kommt.

Die Fallgeschichten selbst fand ich sehr spannend, und es war keine einzige darunter, die langatmig war oder weniger relevant schien. Die Gesamtheit dieser Geschichten stellt eine gelungene Auswahl dar, so dass man einen guten Überblick über verschiedene Glaubenssätze, ihre Auswirkungen etc. bekommt.

Mir hat das Buch wichtige und hilfreiche Impulse gegeben, obwohl ich mich schon viel mit kognitiver Arbeit beschäftigt habe. Es hilft meiner Meinung nach sehr gut beim Verstehen und Einordnen eigener Glaubenssätze und der von anderen Menschen.

Schön fand ich auch, dass die Autorin konkrete Methoden wie das ABC-Schema vorstellt, so dass auch Laien Tools an die Hand bekommen, um eigene Glaubenssätze aufzuspüren und zu verändern.

Beeindruckt war ich von der Offenheit der Autorin am Ende des Buches. Genau so geht Selbstoffenbarung und damit Entstigmatisierung!

Nesibe Özdemir: Was wir glauben, wer wir sind. Vom Mut, sich neu zu denken. Geschichten aus der Psychotherapie. Beltz, 2022, 256 Seiten; 19 Euro.

Dazu hab ich auch was zu sagen!