„[…] wie und warum Zuhören und Mitfühlen einen Unterschied machen können“ (Seite 10)
Seit mehr als drei Jahrzehnten arbeitet Gwen Adshead als forensische Psychiaterin mit straffällig gewordenen Menschen. In Warum Menschen Böses tun erzählt sie von verschiedenen Fällen ihrer Laufbahn, thematisiert dabei unter anderem Serienmord und Psychopathie, Psychose und posttraumatische Belastungsstörung, Othello-Syndrom und narzisstische Persönlichkeitsstörung, Bindungstheorie und Suizidalität, Religion und Seelsorge, Pädophilie und Pädosexualität, Stalking und Erotomanie, Sorgerecht und Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom, Gruppentherapie und Sinnfindung.
Ich interessiere mich schon sehr lange für forensische Psychiatrie, arbeite zwar nicht in diesem Bereich, habe aber vor vielen Jahren für wenige Wochen praktische Einblicke in den Maßregelvollzug erhalten.
Schon die Einleitung zeigt, dass die Autorin nicht in s/w denkt, in ihrem Beruf und in ihrem Buch auch Grautöne mitdenkt, betont und kommuniziert. Ich finde diesen Ansatz wichtig, und es gelingt Adshead hervorragend, die porträtierten Straftäter und Straftäterinnen nicht nur als Fälle, sondern als Menschen zu zeigen. Dabei schafft sie es, der Komplexität des Themas gerecht zu werden, nicht zu vereinfachen oder zu pauschalisieren, die Menschen, mit denen sie arbeitet, von mehreren Seiten und aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.
Mir hat das Buch insgesamt gut gefallen. Es ist spannend und lehrreich, einige Fallgeschichten empfand ich persönlich jedoch als etwas zu ausufernd und zu wenig fesselnd, aber das halte ich bei einer so umfangreichen Sammlung für vollkommen normal.
„Man muss sich dorthin begeben, wo sie sind, um das zu sehen, was sie sehen.“ (Seite 22)
Gwen Adshead und Eileen Horne: Warum Menschen Böses tun. Eine forensische Psychiaterin erzählt von ihren Fällen. Übersetzung aus dem Englischen von Roberto de Hollanda. DuMont Buchverlag, 2022, 432 Seiten; 25 Euro.