„Wir wissen, dass alles, was kommt, auch wieder geht, warum tut es dann immer wieder und immer mehr weh?“ (Seite 5, Zitat von Gerhard Gundermann)
Linda lebt seit über zwei Jahren in einem trostlosen Dorf, 40 Minuten entfernt von der Leipziger Wohnung, die ihr Mann Richard noch ihr gemeinsames Zuhause nennt, in der es Linda aber nicht mehr aushält, weil alles dort an ihre verstorbene Tochter Sonja erinnert.
Richard, der den Um- und Rückzug von Linda nicht versteht, besucht sie regelmäßig in dem alten Haus, in dem Linda zur Miete lebt. Alle anderen haben sich von Linda zurückgezogen, auch Lindas Kindheitsfreundin Esther, und Linda ergibt sich ihrer Traurigkeit, ihrer Isolation, ihrer Leere, hat den Sinn ihres Daseins verloren, nachdem ihre 17-jährige Tochter bei einem Fahrradunfall ums Leben kam.
Ich habe schon vier andere Bücher von Daniela Krien gelesen und mag ihren Schreibstil, ihre Beobachtungsgabe und die Geschichten, die sie erzählt, sehr gerne.
Auch Mein drittes Leben ist ein eindringliches, ein berührendes und ein tiefsinniges Buch. Beim Lesen konnte ich Lindas Trauer spüren, ihre Verzweiflung und ihren Zweifel am eigenen Weiterleben. Die Gedanken und Emotionen Lindas, das Gefühl, dass nach dem Tod eines geliebten Menschen nichts mehr so ist, wie es war, die Tatsache, dass man nicht mehr recht ins alte Leben, in alte Beziehungen, in die alte Umgebung passt, hat Krien auf sehr überzeugende und psychologisch stimmige Weise eingefangen, vor allem was Lindas Trauer, ihr Gefühl der Schwere und ihre Depressivität angeht. Wie immer bei Krien sind die Figuren lebendig, authentisch und komplex gezeichnet, so dass man sich wirklich in sie einfühlen und eindenken kann.
Ich empfand diesen Roman, wie die anderen Bücher von Krien, als sehr gelungen und bewegend, und ich bin gespannt auf das nächste Buch der Autorin.
Daniela Krien: Mein drittes Leben. Diogenes, 2024, 304 Seiten; 26 Euro.