„Jedes Mal betete ich zu Gott, Vattern möge noch vor dem nächsten Freitag sterben.“ (Track 30)
Jana reist nach Smalånger, den Ort ihrer Kindheit, mit dem sie wenig Positives verbindet. Jana möchte hier ihren Zwillingsbruder Bror besuchen, der von seiner Frau verlassen wurde und dem Alkohol verfallen ist.
Brors Haus ist verwahrlost, er kommt allein nicht mehr auf die Beine, und Jana beschließt, in Smalånger zu bleiben. Sie tritt eine Stelle bei einem Pflegedienst hat, beginnt eine Affäre mit dem Künstler John, wird mit Erinnerungen an alte Traumata aus ihrer Kindheit und Jugend konfrontiert.
Mein Bruder ist eines jener (Hör-) Bücher, die von Anfang an unheilschwanger sind und den Leser so von der ersten Seite bzw. von der ersten Minute an vollkommen in ihren Bann schlagen.
Dies liegt nicht nur an der Geschichte um sexuelle und körperliche Gewalt, Alkoholismus, Rache und Vergebung, sondern auch an der klaren, schnörkellosen Sprache von Karin Smirnoff sowie an der gelungenen Hörbuchfassung. Svenja Pages liest den Text ebenso unaufgeregt wie bewegend, und die eingespielten Geräusche wie Kirchenglocken, Orgelmusik und knirschender Schnee tragen sehr gelungen zur Stimmung bei.
Der Roman ist durchweg düster, zeigt die dunklen Seiten des Lebens und thematisiert verschiedene traumatische Erlebnisse, die teilweise recht explizit beschrieben werden, so dass ich das Buch nicht für allzu zartbesaitete Menschen empfehlen möchte. Wer in menschliche Abgründe blicken möchte, hierfür ein ebenso realitätsnahes und authentisches wie berührendes Buch lesen will, der ist hier genau richtig.
Karin Smirnoff: Mein Bruder. Gelesen von Svenja Pages. Audiolino, 2021; 19,90 Euro.