„Die Recoverybewegung hat auch deshalb so viel Anklang gefunden, weil sie sich gegen die demoralisierende Hoffnungslosigkeit vieler professionell Tätiger zur Wehr gesetzt und gezeigt hat, dass ein sinnerfülltes Leben und/oder Heilung trotz schwerer und langwieriger Beeinträchtigungen möglich ist.“ (Seite 68)
Die Gruppe „Lebenswege“ wurde 2011 mit dem Ziel ins Leben gerufen, um bei Menschen mit Psychoseerfahrungen Recoveryprozesse anzustoßen, sie zu fördern oder sie zumindest nicht zu behindern. Diese Gruppe wird angeleitet durch eine Genesungsbegleiterin, einen Arzt und eine Pflegekraft und bietet einen Erfahrungsaustausch von Menschen mit und ohne Erfahrungsexpertise.
Das Buch wird als Arbeitshilfe verstanden, wobei ein nicht-manualisiertes Gruppenkonzept vorgestellt wird, das individuell angepasst werden kann und soll.
Recoveryorientierte Gruppenarbeit für Menschen mit Psychoseerfahrungen ist anwenderfreundlich und praxisnah, ohne zu sehr auf genaue Abläufe und Themen zu fokussieren. Damit bietet das Buch spannende Impulse für die Gruppenarbeit und ist durch die konkreten Anregungen hilfreich und motivierend. Die Autoren gehen dabei sehr selbstkritisch und ehrlich mit aufgetretenen Problemen und Herausforderungen um, so dass man erstens aus deren Fehlern lernen kann und zweitens sieht, dass das Ganze nicht perfekt sein muss, um von den Teilnehmern als wertvoll und unterstützend erlebt zu werden. In diesem Zusammenhang haben mir die vielen zusammengetragenen Rückmeldungen von Teilnehmern gefallen, die sehr klar zeigen, was ihnen an dem Format gefallen und gut getan hat.
Gelungen finde ich auch die gute Lesbarkeit des Buches, vor allem die Erwähnung der vielen persönlichen Erfahrungen im Team und die häufigen Zusammenfassungen am Kapitelende, die noch einmal auf den Punkt bringen, was wichtig ist. Alles in allem werden verschiedene Aspekte und Facetten sehr gut erläutert, aber auch so knapp gebündelt, dass man schnell die wichtigsten Informationen finden kann.
Mich haben das Buch und das Konzept der recoveryorientierten Gruppenarbeit vollkommen überzeugt, so dass ich die Lektüre, aber auch das Gruppenformat an sich empfehlens- und nachahmenswert finde.
„Es gibt also keine (sachlichen) Gründe dafür, die Hoffnung zu verlieren. Mehr noch, Menschen haben sicher ein Recht auf Aufklärung, sie haben aber auch ein Recht auf Hoffnung […]. Zurückhaltend mit Prognosen umzugehen ist also wichtig. Der Glaube an Recovery, an die Genesung, an die Möglichkeit einer Heilung oder einer deutlichen Besserung des Befindens der Teilnehmenden ist entscheidend, um ihre Recoveryprozesse weiter zu fördern […]. Wichtig sind auch der Glaube an die Möglichkeit eines sinnerfüllten Lebens für jeden jederzeit und die Gewissheit, dass jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer ihren oder seinen Weg irgendwann finden wird.“ (Seite 68f)
Sebastian von Peter, Antje Wilfer und Andreas Gervink: Recoveryorientierte Gruppenarbeit für Menschen mit Psychoseerfahrungen. Ein Non-Manual (Psychosoziale Arbeitshilfen 36). Psychiatrie Verlag, 2019, 126 Seiten; 20 Euro.