„In der vorliegenden Anthologie geht es um genau diese Art von Konfliktmomenten; um Momente, in denen die Anwesenden eine diametrale Sicht auf die Ereignisse haben; um Momente, die, nimmt man die englische Redewendung ganz wörtlich, im Nachhinein von ihm tatsächlich ganz anders erzählt werden als von ihr.“ (Seite 7)
Sagte sie enthält 17 Erzählungen, die sich um Angst, Scham, Wut und Schuld drehen. Angst davor, demjenigen, der Grenzen überschreitet, vor den Kopf zu stoßen. Scham wegen des Nicht-Handeln, wegen einer scheinbaren Akzeptanz des Geschehens. Wut auf sich selbst und auf den anderen, der nicht merkt, was man nicht in Worte fassen kann oder will. Schuld daran, dass man zur falschen Zeit am falschen Ort war, anscheinend nicht vorsichtig genug gewesen ist.
Die 17 Autorinnen erzählen von der alltäglichen Ungleichheit und Ungerechtigkeit, die viele Frauen erleben, thematisieren Vergewaltigungen und Nötigungen. Dabei sind die Schilderungen der Übergriffe und der Gewalt oft sehr explizit und teilweise schwer zu verdauen. Zu keiner Zeit hatte ich jedoch den Eindruck, dass diese Explizitheit unangebracht war, vielmehr machen die detaillierten Beschreibungen deutlich, was die genauen Umstände waren und was dies genau für Folgen hatte.
In Anthologien ist es oft so, dass mir nicht alle Geschichten gleich gut gefallen. Das halte ich für normal, und so ist es auch bei Sagte sie. Ich fand die ersten Geschichten des Bandes sehr stark, und auch die letzte Erzählung sehr gut. Diese Texte wurden sehr stringent erzählt, meisterhaft geschrieben und wühlen sehr auf. Dazwischen gab es allerdings einige Erzählungen, die mich kaum oder gar nicht fesseln konnten und die mir insgesamt weniger gut gefallen haben.
Alles in allem kann und möchte ich das Buch jedoch empfehlen, da es wichtig ist, über sexuelle Gewalt, Nötigung und Ungleichheit zu sprechen, zu hören, zu lesen und zu schreiben.
Lina Muzur (Hrsg.): Sagte sie. 17 Erzählungen über Sex und Macht. Hanser Berlin, 2018, 224 Seiten; 20 Euro.
Dieser Post ist Teil meines Monatsthemas „Sex und Gewalt“ im Dezember 2020.