Oblomow von Iwan Alexandrowitsch Gontscharow (Hörbuch)

„Und immer dasselbe?“
„Ja, bis zum Grabe. Das ist das Leben!“
„Nein, das ist nicht das Leben!“
„Was ist es dann deiner Meinung nach?“
„Das, das ist eine Oblomowerei.“
„Ob-lo-mowerei! Ob-lo-mo-we-rei! Worin besteht denn deiner Ansicht nach das Lebensideal? Nicht in der Oblomowerei? Streben denn nicht alle nach dem, wovon ich träume? Alle streben doch nach Ruhe und Stille.“

Ilja Iljitsch Oblomow entstammt dem russischen Adel und ist mit materieller Sicherheit aufgewachsen. Als Erwachsener ist er unfähig, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern, verbringt seine Tage und Nächte in seiner Wohnung in der Petersburger Gorochowaja, versucht zwar, der permanenten Schläfrigkeit und Trägheit zu entfliehen, verschiebt jedoch alles, was sein Diener Sachar an ihn heranträgt, auf den nächsten Tag, so dass das väterliche Gut Oblomowka immer mehr verfällt, sich die Rechnungen immer weiter auftürmen und wichtige Briefe nicht beantwortet werden.

Oblomows Freund Stolz, ein Deutschrusse, versucht, Oblomow aus seiner Lethargie zu reißen, zwingt ihn, ihn zu Veranstaltungen zu begleiten, empfiehlt ihm – genau wie Oblomows Arzt – einen Auslandsaufenthalt und macht ihn mit Olga bekannt. Nach Stolz‘ Abreise nach Paris, wo er auf den Freund wartet, der jedoch nie erscheint, bemüht sich Olga um Oblomow, und die beiden verbringen jeden Tag miteinander.

Doch die Beziehung mit Olga scheitert, und dann gerät Oblomow durch seine Prokrastination und durch einen Betrug seines Bekannten Tarantjew in finanzielle Nöte und schafft es nicht, sich den Problemen zu stellen und gegen die Widrigkeiten anzugehen.

Die erste Ausgabe von Oblomow erschien 1859 in der russischen Monatszeitschrift Otetschestwennye Sapiski und im gleichen Jahr als zweibändige Buchausgabe. Der Roman war bereits zu Lebzeiten Iwan Alexandrowitsch Gontscharows ein internationaler Erfolg und gilt heute als bedeutendster Roman des Autors. Obwohl ich russische Autoren des 19. Jahrhunderts sehr schätze, war das Hörbuch zu Oblomow meine erste Begegnung mit Gontscharow, der übrigens – wie der Titelheld – selbst aus reichem, adligem Hause stammte.

Gontscharow ist in seinem Roman Oblomow eine hervorragende Charakterisierung der Protagonisten gelungen. Vor allem Oblomow selbst mit seiner Faulheit und Prokrastination, seinen Ängsten und Wünschen wurde überzeugend gezeichnet, und beim Lesen kann man die Lethargie, die ihn immer wieder überfällt und gegen die er sich nicht zur Wehr setzen kann, auf jeder Seite nachvollziehen und verstehen.

Gelungen fand ich auch die Gegenpole im Buch: der treue Diener Sachar, der immer wieder versucht, seinen Herrn anzutreiben und zum Handeln zu bewegen, versus Olga, die nur vorsichtig fordert und sich schließlich zurückzieht; Stolz als Vertrauter und Freund, der Oblomow helfen und aus seinem Loch ziehen möchte, versus Tarantjew, der Oblomows Lage ausnutzt und ihn in den Ruin zu treiben versucht.

Mit seinen eindrücklichen Beschreibungen bietet Gontscharow dadurch sowohl einen wertvollen kulturgeschichtlichen Einblick in die Welt der russischen Adligen im 19. Jahrhundert als auch einen universellen und zeitlosen Einblick in die Mechanismen der Prokrastination.

Das Hörbuch wird von Otto Sander (Erzähler), Axel Milberg (Oblomow) und den anderen Sprechern ausdrucksstark und authentisch gelesen. Durch die eingespielten Töne wie Vogelzwitschern und Musik wird man als Hörer sofort an einen anderen Ort versetzt und kann ganz ins zaristische Petersburg und die Geschichte um Oblomow eintauchen.

Iwan Alexandrowitsch Gontscharow: Oblomow. Bearbeitung von Helmut Peschina, Regie von Leonhard Koppelmann, gelesen von Axel Milberg, Otto Sander u.a. Der Audio Verlag, 2003; vergriffen.

(Als Hörspiel antiquarisch erhältlich sowie bei Manesse in gebundener Ausgabe und bei dtv als Taschenbuch lieferbar)

Dieser Post ist Teil des Russland-Themas im November 2017.

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