„Hätte ich es ahnen müssen? […]
Sie denkt an jenen Tag zurück. Ja, im Nachhinein vielleicht. […]
Man kann das nicht wissen, […]. Man kann das nicht kommen sehen. […]
Man kann sich nicht die Schuld geben. Das hält man einfach nicht aus.“ (Seite 162)
Mattias ist tot. Vollkommen unerwartet und ohne Vorwarnung. Zurück bleiben die Menschen, die ihn kannten, die ihn liebten, die er bewegt hat.
Ihr Leben geht weiter. Ohne ihn, aber mit den Erinnerungen an ihn, die sie nicht loswerden und auch gar nicht loswerden möchten, die im unpassendsten Moment auftauchen, sie lähmen, sie traurig machen, ihr Leben auf neue Bahnen bringen.
Von diesen Personen erzählt der niederländische Autor Peter Zantingh in Nach Mattias. Und diese Personen mit ihren eigenen Geschichten, ihren Erinnerungen an Mattias und ihrem Schmerz aufgrund ihres Verlusts zeichnen ein Bild von Mattias, zeigen, was ihm wichtig war, wie er dachte, fühlte, handelte und lebte.
Mich haben diese Erzählweise und die Fragen, die Zantingh in seinem Roman aufwirft, sehr berührt und bewegt. Einige der Erzählperspektiven empfand ich als sehr gelungen, andere als kryptisch, wieder andere als weniger relevant für die Geschichte. Am Ende sind jedoch alle diese Menschen und Episoden wichtig, und Zantingh fügt mit den Personen einzelne Puzzlesteinchen zusammen, die zum Gesamtbild von Mattias beitragen. Auf den letzten Seiten von Nach Mattias führt der Autor alle Fäden der einzelnen Episoden zusammen, und hier wird deutlich, dass nichts im Buch unnötig und jedes Wort wohlüberlegt war. An dieser Stelle wollte ich den Roman gerne ein zweites Mal lesen, um diesmal noch aufmerksamer den Geschichten der Erzählenden zu folgen und noch besser zu verstehen, wer Mattias war und wie er sein Umfeld beeinflusst, bewegt und fasziniert hat.
Der Autor wirft in seinem Buch viele Fragen rund um die Themen Tod und Trauer auf. Bei mir hat dieser Roman viel angestoßen und viele weitere Fragen aufgebracht, z.B. danach, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich einen bestimmten Menschen nicht getroffen hätte, welchen Verlauf es genommen hätte, wenn dieser Mensch nicht viel zu früh gestorben wäre, und welchen Weg ich eingeschlagen hätte, wenn ich nie von seinem Tod erfahren hätte.
Nach Mattias liest sich flott und trotz des ernsten Themas leichtfüßig. Ich empfehle das Buch für alle, die sich mit den Themen Sterben, Tod und Trauer auseinandersetzen möchten und die einen hervorragend und spannend konstruierten Roman lesen wollen.
„Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass es ein Buch über Trauer ist. Jemand ist gestorben, und die Hinterbliebenen müssen einen Weg finden, damit umzugehen. Aber ich finde, es ist viel mehr als das. Es ist ein Buch, in dem alle Aspekte und Konsequenzen behandelt werden, die das plötzliche Verschwinden eines Menschen auf das Leben derjenigen, die zurückbleiben, haben kann. Und das ist so viel mehr als das, was man in einem Lexikon unter der Definition von Trauer liest. Das sind zum Beispiel zwei Menschen, die sich begegnen, und die sich unter anderen Umständen niemals getroffen hätten.“ (aus einem Interview mit Peter Zantingh)
Peter Zantingh: Nach Mattias. Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers. Diogenes Verlag, 2020, 256 Seiten; 22 Euro.
Dieser Post ist Teil des Vergänglichkeit-Monatsthemas im November 2020.