Mitternacht in Tschernobyl. Die geheime Geschichte der größten Atomkatastrophe aller Zeiten von Adam Higginbotham

„Als man […] von ihm wissen wollte, wie es um die Kühlung des Kern bestellt sei – die entscheidende Arbeit, die sicherstellen würde, dass Reaktor Vier bald repariert und wieder hochgefahren werden konnte -, war es um die Selbstbeherrschung des Ingenieurs geschehen.

„Es gibt nichts mehr zu kühlen!“, rief er. Dann war die Leitung tot.“ (Seite 151)

Adam Higginbotham, der über zehn Jahre intensiv zum Reaktorunfall in Tschernobyl recherchiert hat, erzählt in Mitternacht in Tschernobyl von der Gründung Pripyats, Leben und Karriere des Kraftwerkdirektors Wiktor Brjuchanow, Chemie und Physik, Radioaktivität und Funktionalität eines Kernkraftwerks, AZ-5-Mechanismus und RBMK-Reaktoren, Baumängeln und Konstruktionsfehlern, früheren Störfällen und Vertuschungen, Verbreitung der Wolke und Evakuierung, Chinasyndrom und Schadensbegrenzung, Strahlenkrankheit und Liquidatoren, Ermittlungen und Prozess, Sarkophag und Sperrzone, Auflösung der UdSSR sowie Auswirkungen des Unfalls auf die Tier- und Pflanzenwelt.

Neben den detaillierten Beschreibungen, die nicht nur die Abläufe um den Reaktorunfall selbst wiedergeben, sondern auch von der Geschichte der Stadt Pripyat und des Kernkraftwerks sowie von den beteiligten Personen und von den Auswirkungen auf die Menschen, die Natur und die Politik der UdSSR erzählen, finden sich im Buch zudem Karten der UdSSR, von Pripyat, von der Kraftwerk-Umgebung sowie vom Kraftwerk selbst. Dies alles sorgt dafür, dass das Buch sehr anschaulich ist und das Buch zudem die ganze Komplexität der Thematik abbildet.

Was mir an Mitternacht in Tschernobyl besonders gut gefallen hat, sind die sehr gut erklärten physikalischen und chemischen Grundlagen, die dabei helfen, alle Zusammenhänge gut zu verstehen.

Trotz des informations- und lehrreichen Inhalts liest sich Mitternacht in Tschernobyl beinahe wie ein Krimi und ist ungeheuer spannend. Higginbotham bietet in seinem Buch genau die richtige Menge an Details, führt gut in die Thematik ein, und Mitternacht in Tschernobyl ist stets fundiert und faszinierend, nie überfrachtet und nie langatmig.

Beeindruckend ist auch das Literaturverzeichnis, das sich über 150 Seiten erstreckt, was dem Leser einen guten Eindruck davon vermittelt, wie exakt Higginbotham recherchiert und dass er sich wirklich mit der Materie auseinandergesetzt hat.

Mitternacht in Tschernobyl ist neben Tschernobyl. Eine Chronik der Zukunft von Swetlana Alexijewitsch sicherlich das beste Buch zum Thema Tschernobyl.

Adam Higginbotham: Mitternacht in Tschernobyl. Die geheime Geschichte der größten Atomkatastrophe aller Zeiten. Aus dem Englischen von Irmengard Gabler. S. Fischer Verlag, 2019, 640 Seiten; 25 Euro.

Dieser Post ist Teil meines Radioaktivität-Monatsthemas im Mai 2020.

2 Gedanken zu „Mitternacht in Tschernobyl. Die geheime Geschichte der größten Atomkatastrophe aller Zeiten von Adam Higginbotham“

  1. Hallo Romy,
    Bücher zum Thema Radioaktivität oder Kernkraftwerke habe ich bisher noch nicht gelesen. Entsprechend interessiert habe ich mich durch Deine Monatsliste zum Thema geklickt.
    Ich habe kürzlich die Sky-Serie „Chernobyl“ auf DVD angesehen und fand sie großartig und sehr erschreckend. Das ist ein Thema, das man immer wach halten sollte und dessen Folgen uns immer noch und noch sehr lange begleiten werden.
    Liebe #Litnetzwerk-Grüße
    Gabi

    1. Liebe Gabi,

      was für eine krasse Serie. Ich war damals echt platt, als ich die angeschaut habe, und da wusste ich dann auch gleich, dass ich dazu auch mal ein Monatsthema machen möchte. Hast du denn ein Buch auf meiner Liste gefunden, das du bald lesen möchtest? Wenn ja, welches?

      Liebe Grüße,
      Romy

Dazu hab ich auch was zu sagen!