„Kreter trauen bloß Kretern, und das auch nur, wenn sie nicht für den Staat arbeiten.“
Michalis Charisteas lebt mit seiner Familie in Chania auf Kreta. Er selbst arbeitet bei der Kriminalpolizei, seine Familie betreibt das Restaurant Athena, das bereits seit über 100 Jahren in Familienbesitz ist.
Am Nachmittag trifft Michalis‘ Freundin Hannah aus Deutschland ein, und bevor er zum Flughafen fährt, möchte er sich schnell um eine Vermisstenanzeige kümmern: Der Bürgermeister von Kolymbari, einem Küstenort etwa 20 Kilometer westlich von Chania, wird von seiner Ehefrau vermisst gemeldet – nicht zum ersten Mal, so dass die ganze Sache vorerst nicht ganz ernst genommen wird.
Doch Michalis verbeißt sich fast sofort in den Fall und folgt immer mehr Spuren. Er ist sich sicher, dass an der Sache etwas faul ist, und tatsächlich wird kurz darauf ein Autowrack in den Felsen entdeckt. Darin befindet sich die Leiche des Bürgermeisters, der scheinbar von der Straße abgekommen ist. Doch handelt es sich wirklich um einen tragischen Unfall oder steckt mehr hinter der Angelegenheit?
Schon den Einstieg fand ich sehr packend, und auch im weiteren Verlauf hat mir der Kriminalroman gefallen: Er ist unterhaltsam, aber vermittelt auch Informationen über Griechenland, z.B. über geschichtliche Aspekte wie Bürgerkrieg und Militärdiktatur, über die Mentalität der Menschen und die Bedeutung der Familie, über das Leben und den Alltag auf Kreta.
Ich habe Griechenland noch nie bereist, und mit Kretische Feindschaft habe ich mich ein paar Stunden gedanklich nach Griechenland begeben. Der Kriminalroman ist stimmungsvoll und vermittelt viel Griechenland-Flair, und beim Lesen kann man sich die Landschaften mit Olivenbäumen und Klatschmohnfeldern, die pittoresken Altstädte und die Kreuzfahrtschiffe in den Häfen perfekt vorstellen.
Die Liebesgeschichte zwischen Michalis und Hannah wirkte auf mich ein wenig zu stereotyp, und man fragt sich bei der Lektüre etwas, was die Familie an der ständig nörgelnden Deutschen findet.
Alles in allem fand ich Kretische Feindschaft sehr unterhaltsam, und der Roman hat ordentlich mein Fernweh befeuert.
Nikos Milonás: Kretische Feindschaft. Ein Fall für Michalis Charisteas, Band 1. Scherz, 2019, 400 Seiten; 14,99 Euro.
Dieser Post ist Teil des Griechenland-Monatsthemas im Mai 2021.