Geschichte der Psychiatrie von Burkhart Brückner

„Geschichtliches Wissen ist ein wichtiges Orientierungsmittel für psychiatrisch Tätige.“ (Seite 7)

Ich bin schon seit vielen Jahren – erst als Krankenschwester, dann als Psychologin – im Psychiatriebereich tätig, und natürlich habe ich dadurch und durch Schul- und Allgemeinwissen einige Einblicke in historische Aspekte der Psychiatrie erhalten, aber explizit mit der Geschichte der Psychiatrie hatte ich mich bis dato noch nicht beschäftigt. Ich fand aber, dass es allmählich Zeit wurde, so dass ich Burkhart Brückners Buch gelesen habe.

Brückner, u.a. Professor für Sozialpsychologie, erzählt in seinem Buch eine knappe Geschichte der Psychiatrie von der Antike bis zur Gegenwart. Sein Fokus liegt dabei auf europäischen Traditionen und dem Umgang mit schweren psychischen Erkrankungen.

In jedem einzelnen Kapitel seines Buches (Altertum – Mittelalter – Renaissance – Barock und Aufklärung – 19. Jahrhundert – 20. Jahrhundert) stellt Brückner zentrale Versorgungsmodelle und -theorien, wichtige Forscher und/oder Fallberichte vor, wodurch er ein komplexes Bild der jeweiligen Epoche vermittelt und einen gelungenen Einblick in die Versorgung von psychisch Kranken bietet.

Besonders spannend fand ich die Ausführungen zu Epochen, mit denen ich mich im Zusammenhang mit Psychiatrie noch nicht genauer befasst hatte, sowie die Schilderungen zur Änderung von Terminologie, Ursachenzuschreibung, Behandlung sowie Konsequenzen psychischer Erkrankungen.

Geschichte der Psychiatrie ist flüssig lesbar, übersichtlich aufgebaut, fundiert und zeigt auf eindrückliche und oftmals erschreckende Weise, dass die bisweilen katastrophalen Zustände für psychisch Kranke regelrecht Tradition haben und dass in der Geschichte immer neue unmenschliche Ideen entwickelt wurden, die sich bis zu Euthanasie, aber auch zu Insulinschocktherapie, Fixierung, Zwangsmedikation und Überdosierung mit Antipsychotika zur bloßen Ruhigstellung fortsetzten:

„Die Geschichte der Psychiatrie ist nicht von der Vorstellung zu trennen, dass Erregungszustände, aggressive Ausbrüche sowie Gewalttaten der Patienten mit Gegengewalt zu beantworten seien.“ (Seite 83)

Glücklicherweise – und lange überfällig – lässt sich langsam eine gewisse Wende beobachten, auf die ich persönlich viel Hoffnung setze und von der ich mir wünsche, dass sie noch schneller voranschreitet, die Situation von Menschen mit psychischen Erkrankungen endlich verbessert und das Stigma, das mit psychischer Krankheit assoziiert ist, deutlich minimiert.

Burkhart Brückner: Basiswissen – Geschichte der Psychiatrie. Psychiatrie Verlag, 2015, 159 Seiten; 18 Euro.

Dazu hab ich auch was zu sagen!