Der erste Sohn von Philipp Meyer

„Ich war der erste Sohn dieser neuen Republik.“

In Der erste Sohn erzählt Philipp Meyer die Geschichte der Familie McCullough von der Mitte des 19. bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Die Geschichte wird dabei aus der Perspektive von drei stellvertretenden Protagonisten geschildert: Eli, Peter und Jeanne Anne.

Der Protagonist Eli ist der erste Sohn der neuen Republik und lebt mit seinen Eltern im Comanchen-Gebiet. Eines Tages wird Elis Familie von einer Gruppe Comanchen überfallen, die Mutter und die Schwester vergewaltigt und getötet, Eli und sein Bruder Martin entführt. Während Martin unterwegs getötet wird, überlebt Eli und gewinnt mit der Zeit das Vertrauen und den Respekt der Comanchen. Nach mehreren Jahren kehrt Eli schließlich zurück zu den Weißen und begründet eine Dynastie, die durch Viehzucht und Öl zu beträchtlichem Reichtum gelangt.

Elis Sohn Peter wird im Jahre 1915 Zeuge der Auslöschung der mexikanischen Familie Garcia. Das von seinem Vater initiierte Gemetzel an den Nachbarn der McCulloughs und der Diebstahl ihres Landes und ihres Besitzes verfolgt Peter ein Leben lang und prägt sowohl Peters Zukunft als auch das Verhältnis zu seinem Vater.

Peters Enkelin Jeanne Anne erbt schließlich den Besitz der Familie McCullough und versucht, sich in einer Männerwelt zu behaupten.

Ich habe vor einigen Jahren mit großer Begeisterung Rost von Philipp Meyer gelesen und kann sagen, dass ich Der erste Sohn genauso gelungen oder sogar noch besser fand.

Obwohl mir die Perspektivenwechsel und die damit verbundenen Zeitsprünge von Anfang an gefallen haben, hat es eine Weile gedauert, bis ich mich eingelesen hatte. Dabei hat mir die Geschichte um Eli zu Beginn am besten gefallen, und obwohl diese zeitweise sehr brutal ist, habe ich hier gleich einen Zugang gefunden und ließ mich von der Comanchen-Geschichte mitreißen. Die Geschichten um Peter und Jeanne Anne konnten mich initial kaum begeistern, und so empfand ich die Unterbrechungen durch diese Schilderungen zu Beginn des Buches eher störend. Bald konnten mich jedoch auch diese Episoden fesseln, so dass sich die vielen hundert Seiten im Nu gelesen haben, da man ständig von einer spannenden Geschichte in die nächste versetzt wurde.

Vor allem die Geschichte um Eli vermittelt eine gelungene Wild-West-Atmosphäre, die dafür sorgt, dass man als Leser in eine andere Zeit und an einen anderen Ort versetzt wird. Besonders Elis Zeit bei den Comanchen wird allerdings sehr brutal geschildert und enthält viele sehr explizite Szenen, die das Lesen nicht immer einfach machen. Zartbesaitete Leser könnten hier meiner Meinung nach schnell an die Grenze des Aushaltbaren kommen. Ich denke aber, dass Meyer die damalige Zeit durch diese Brutalität sehr gut wiedergegeben hat und so ein realistisches Bild der Epoche gezeichnet hat.

Mir hat die Erzählweise mit den drei Perspektiven, aus denen abwechselnd erzählt wird, sehr gut gefallen, und dadurch wird nicht nur viel Spannung aufgebaut und die Geschichte der Familie McCullough erzählt, sondern dem Leser auch die Geschichte Amerikas näher gebracht.

Was für ein Buch und was für ein Epos! Ich freue mich bereits auf das nächste Buch von Philipp Meyer und bin gespannt, welche fesselnde Geschichte der Autor dann erzählen wird.

Philipp Meyer: Der erste Sohn. Übersetzt von Hans M. Herzog. Albrecht Knaus Verlag, 2014, 608 Seiten; 24,99 Euro.

Dieser Post ist Teil des Nordamerika-Themas im Februar 2017.

6 Gedanken zu „Der erste Sohn von Philipp Meyer“

  1. Du stellst wirklich tolle Bücher vor! Einige davon liegen schon viel zu lange auf meinem SUB, so auch die beiden Philipp Meyers (und die Erdrich). So ein Special macht einem das dann wieder bewusst. Viele Grüße, Petra

  2. Ich werd nicht mehr! Ich kann gar nicht aufhören, bei dir zu stöbern! Entweder habe ich auch die Bücher gelesen / gehört oder es liegt noch auf meinen SuB. Es macht mir großen Spaß hier bei dir! 🙂

    „Der erste Sohn“ habe ich gehört und hatte mich total auf das Buch gefreut! Doch für mich war es insgesamt leider ein Flop. Schau mal, HIER ist meine Rezension zum Buch.
    Als gedrucktes Buch hätte es mir vielleicht einen Stern besser gefallen, da die Stimmen der Erzähler dann wegfallen, aber der Inhalt konnte mich nicht ganz so überzeugen wie dich.
    Das erste Buch, bei dem wir unterschiedlicher Meinung waren. Mal sehen, was ich noch so finde…

    Herzliche Grüße,
    monerl

      1. Danke für deinen Kommentar, habe ihn entdeckt! 🙂

        Ich freue mich ehrlich, muss mich zusammenreißen, denn aktuell höre ich das neue Ferrante-Buch. Die anderen beiden habe ich ja auch schon gehört. Und diese hier habe ich auch schon gelesen: „Die Wand“, „Mann und Frau“, „Auf der Flucht“, „Unterleuten“, „Doktor Schiwago“, „Ohrfeige“, „Die Geschichte der Bienen“…

        Grob überschlagen habe ich mind. diese hier noch auf dem SuB, da ich nicht zum Lesen komme:
        „Zeittoun“, „Das Haus des Windes“, „Wer die Nachtigall stört“, „American War“, „Alles Licht das wir nicht sehen“, „Die Quadratur des Glücks“, „Die Frau des Zoodirektors“, „Ellbogen“, „Am Ende bleiben die Zedern“…

        Schon krass, oder? 😀

Dazu hab ich auch was zu sagen!