„[…] er wusste, dass die Dummen dieser Welt ein unerschütterliches Überlegenheitsgefühl aus der schieren Tatsache bezogen, dass sie immer und überall in der Überzahl waren.“ (Seite 30)
Boris Sidis hat die Ukraine verlassen, um sich ein neues Leben in den USA aufzubauen. Als er 1886 in New York eintrifft, hat er nichts dabei außer der Kleidung am Körper und Erinnerungen an die Heimat.
Sidis sucht sich einen Job, gibt (als großes Sprachgenie) Sprachkurse und lernt Sarah kennen, die er heiratet und deren Bildung er fördert. Er selbst studiert Psychologie in Harvard und forscht am Subwaking Self, brilliert als Wissenschaftler, während Sarah Medizin studiert.
Als ihr Sohn William James geboren wird, widmet sich sein Vater dessen Erziehung und Förderung – in der Hoffnung und im Bestreben, das Beste aus dem Jungen herauszuholen.
Ich bin zwar Psychologin, aber ich hatte bis zur Lektüre des Buches noch nicht von Sidis gehört (oder das Gehörte wieder vergessen).
Das Genie wird lebendig erzählt, und die Lebensgeschichte von Sidis ist nicht nur an sich spannend, sondern wird von Klaus Cäsar Zehrer auch besonders packend in Worte gefasst. So bietet dieser Roman in meinen Augen eine perfekte Mischung aus Unterhaltung und Fakten, denn die Figuren des Romans haben tatsächlich gelebt.
Besonders gefallen hat mir, wie ausführlich Zehrer von der Forschungstätigkeit des Vaters berichtet, so dass man als Leser hautnah dabei sein kann. Auch die Schilderungen der Erfolge und Misserfolge des Sohnes sind durchweg gelungen und mitreißend, ebenso faszinierend wie tragisch.
Das Genie ist ein komplexer Roman mit einer Vielzahl an Themen, wobei alles stimmig und nichts zu viel ist. Ein Lieblingsbuch 2022!
Klaus Cäsar Zehrer: Das Genie. Diogenes, 2017, 656 Seiten; 25 Euro.