Der Junge von Nadia Bozak

„Sie hat vergessen, weswegen sie hierhergekommen ist, so grenzenlos ist die Demütigung, die Kontrolle über ihr Leben – über alles – verloren zu haben.“ (Seite 132)

Honey hat ihre Mutter Marianne seit mehr als zwei Jahren nicht mehr gesehen, und als sie sie auch telefonisch nicht mehr erreicht, macht sie sich auf den Weg in die Grenzregion, in der Marianne zusammen mit ihrem Hund Baez lebt.

Als Honeys Auto eine Panne hat, nimmt sie den Greyhound, wagt sich allein in die extrem abgelegene Gegend.

Auf dem Grundstück der Mutter gibt es keine Spur von ihr und ihrem Hund. Und schließlich wird Honey überfallen und schleppt sich schwer verletzt durch die fiktive Oro-Wüste, begleitet von Chávez, einem Jungen, der selbst auf der Flucht ist und behauptet, er wisse, wo Marianne und Baez sind. Für 5000 Euro ist Chávez bereit, Honey zu ihrer Mutter zu führen.

Der Junge ist der zweite Teil von Nadia Bozaks Border-Trilogie und erzählt vom Kampf ums Überleben in einer lebensfeindlichen Umgebung – sowohl in Bezug auf die extreme Landschaft, als auch aufgrund der von Gewalt und Ausbeutung geprägten menschlichen (und tierischen) Gemeinschaft. Mexiko wird im Roman nicht explizit erwähnt, doch alles in Bozaks Roman deutet darauf hin, dass wir uns im Grenzgebiet zwischen den USA und Mexiko befinden.

Der Junge ist ein stimmungsvoller Roman, der mich von Anfang an ins Grenzgebiet versetzt hat. Bozak erzählt in drei Handlungssträngen (Honey, Chávez, Baez) ihre Geschichte, wobei sie sich zudem innerhalb der Erzählperspektive in verschiedenen Zeitebenen befindet, indem sie die aktuellen Geschehnisse durch Erinnerungen unterbricht.

Das Buch ist von Anfang an spannend, aber erst nach etwa einem Viertel hat es mich richtig gefesselt, so dass ich den Rest fast am Stück gelesen habe. Dabei ist Der Junge oft recht explizit und brutal, sehr beklemmend und schockierend, wobei ich nie das Gefühl hatte, dass die Autorin es damit übertreibt. Ich empfand die Geschichte vielmehr als sehr überzeugend und sehr stimmig, und damit ist Der Junge eines meiner Lieblingsbücher 2021.

Ich wünsche diesem besonderen Roman somit viele Leser und freue mich schon auf die anderen beiden Bücher der Border-Trilogie.

Nadia Bozak: Der Junge. Übersetzung von Gregor Runge. Karl Rauch Verlag, 2021, 352 Seiten; 24 Euro.

Dieser Post ist Teil meines Mexiko-Monatsthemas im Juli 2021.

Dazu hab ich auch was zu sagen!