„Was glauben Sie denn, warum ich hier bin? Ich hatte dort alles, […] ich war jemand. Jetzt bin ich niemand.“
Im Herbst 2015 war Navid Kermani zusammen mit dem Magnum-Fotografen Moises Saman auf der Balkanroute unterwegs.
In Einbruch der Wirklichkeit dokumentiert Kermani, was Menschen für die Hoffnung auf ein besseres Leben in Frieden und Sicherheit, ohne Bomben und tagtägliche Gefahr riskieren, was sie auf ihrer gefährlichen Flucht erleben und welchem Risiko sie wochen- und monatelang ausgesetzt sind. Dabei erzählt der Autor exemplarisch Lebensgeschichten von unterwegs getroffenen Flüchtlingen, bettet seine Schilderungen in aktuelle Geschehnisse ein, beschreibt die Situation, den Rassismus und die erlebte Unterstützung in den verschiedenen Ländern der Balkanroute.
Ich hatte bislang noch nichts von Kermani gelesen, doch schon das erste Kapitel hat mich für den Autor begeistern können. Seine Wortwahl, sein Scharfsinn und die Gedanken und Gefühle, die er durch seine Schilderungen beim Leser hervorrufen kann, zeigen auf jeder Seite sein Talent zum Beobachten und Schreiben. Und so ist die Lektüre dieses klugen Buches trotz der düsteren Themen – Verzweiflung, Gefahr, Angst, Tod, Hunger, Elend etc. – auch ein Vergnügen, weil es durchweg lehrreich und spannend ist, Kermanis Gedankengängen zu folgen, sich von ihm über die Balkanroute informieren zu lassen, mit ihm hinter die Kulissen zu schauen.
Die im Buch abgedruckten Fotos bieten zusätzliche Einblicke in die Gefahren, die Mühen und die große Verzweiflung und das Elend auf der Balkanroute.
Einbruch der Wirklichkeit ist ein kluges Buch, das aufklärt und informiert.
Navid Kermani: Einbruch der Wirklichkeit. C.H. Beck, 2016, 96 Seiten; 10 Euro.
Dieser Post ist Teil des Themas „Flucht und Migration“ im April 2017.