„Es gibt eine Liebe, die sich erst in der Trauer zeigt.“
Vierter August 1892 in Fall River, Massachusetts: Die 32-jährige Lizzie Borden, die unverheiratet ist und mit ihrem Vater, ihrer Stiefmutter und dem Dienstmädchen Bridget zusammenlebt, findet im Erdgeschoss ihres Elternhauses die blutüberströmte Leiche ihres Vaters. Kurz darauf wird zudem der Leichnam von Lizzies Stiefmutter entdeckt. Beide wurden anscheinend mit einem axtähnlichen Gegenstand ermordet.
Bis heute sind die Morde an Andrew und Abby Borden nicht vollständig geklärt, und aufgrund ihrer Faszination für den mysteriösen Kriminalfall machte sich die Autorin Sarah Schmidt auf die Suche nach den Hintergründen der Morde und schrieb schließlich ihren Debütroman Seht, was ich getan habe über die Bordens und den geheimnisvollen 4. August 1892.
Schmidt erzählt ihre Geschichte aus vier verschiedenen Perspektiven: Lizzie (die sich an die Tatumstände nicht erinnern kann, die ein Motiv und kein überzeugendes Alibi hat), Emma (Lizzies älterer Schwester, die nach dem Mord in ihr Elternhaus kommt), Bridget (die fest vor hatte, die Bordens bald zu verlassen, und die von Abby Borden um ihre Ersparnisse gebracht wurde) und Benjamin (ein geheimnisvoller Mann, der sich vor der Tat auf dem Besitz der Bordens herumtrieb). Durch diese Perspektivenwechsel erfährt der Leser/Hörer viel über die Protagonisten selbst, über ihre Gedanken und Gefühle, über ihre Verbindungen zu anderen Figuren und darüber, was sie von den anderen Personen halten, wie sie zu ihnen stehen und was sie von ihnen erwarten.
Ich kannte die Geschichte um Lizzie Borden und um den Mord an ihrem Vater und ihrer Stiefmutter bis zur Lektüre von Seht, was ich getan habe noch nicht, doch ich war – genau wie die Autorin selbst – sofort gefesselt von diesem Fall.
Seht, was ich getan habe behandelt die Umstände der Leichenfunde und spekuliert über den Tathergang, die Motive der einzelnen Personen sowie über die Hintergründe der Tat. Dabei vermischt Schmidt die historischen Fakten auf sehr gelungene Weise mit fiktiven Anteilen, so dass Seht, was ich getan habe einerseits wie ein Tatsachenbericht wirkt, andererseits ein rundum gelungener Kriminalroman ist.
Schmidt erzählt detailreich und lebendig, so dass ihr Debütroman nicht nur eine wahre Geschichte behandelt, die fiktionale Facetten aufweist, sondern auch eine Art Zeitdokument darstellt, das das Leben und den Alltag Ende des 19. Jahrhunderts auf glaubwürdige und überzeugende Weise abbildet.
Der Roman ist ebenso flüssig zu lesen wie anspruchsvoll geschrieben, doch einige Phrasen, die sich auf ähnliche Weise durch das gesamte Buch ziehen, fand ich sehr sonderbar und eher infantil, wie z.B. „kreisch, kreisch“, „schmatz, schmatz, schmatz“.
Seht, was ich getan habe wird sehr fesselnd erzählt und von den vier Sprechern (Gala Othero Winter als Lizzie, Anne Weber als Emma, Lisa Hagmeister als Bridget und Julian Greis als Benjamin) ebenso großartig gelesen. Dabei fand ich vor allem die etwas kratzige Stimme Bridgets, die stets etwas leidend klingt, und die Intonation Lizzies, die atemlos und gehetzt erscheint, passend und perfekt gewählt.
Seht, was ich getan habe ist ein Buch, das ich eines Tages sicherlich nochmals lesen oder hören werde, da die Geschichte komplex ist, die Protagonisten überzeugen und die Handlung fesselnd inszeniert wurde.
Sarah Schmidt: Seht, was ich getan habe. Aus dem Englischen von pociao. Gekürzte Lesung von Gala Othero Winter, Anne Weber, Lisa Hagmeister und Julian Greis. Hörbuch Hamburg, 2018; 20 Euro.
Sarah Schmidt: Seht, was ich getan habe. Aus dem Englischen von pociao. Pendo, 2018, 384 Seiten; 20 Euro.
Dieser Post ist Teil des True Crime-Monatsthemas im Dezember 2019.
Das ist ja mal ein außergewöhnliches und interessantes Buch! Ich bin echt begeistert und dank deiner Rezension kommt es jetzt auf meine Wunschliste.
Ich würde mich auch gerne für das Hörbuch entscheiden, aber es scheint ja nur eine gekürzte Lesung zu geben? Da bin ich immer etwas vorsichtig und schon öfter auf die Nase gefallen, wenn das Skript schlecht zusammengefasst ist, so dass Teile fehlen oder man Zusammenhänge nicht so ganz versteht.
Viele Grüße,
Corinna
#litnetzwerk
Hallo Corinna,
dank dir für deinen Kommentar. Das freut mich, dass meine Rezension dich für das Buch begeistern konnte. Ich fand, dass man dem Hörbuch sehr gut folgen kann und dass alles Wichtige dabei ist. Viel Spaß damit!
Liebe Grüße,
Romy
Hallo Romy,
Lizzy Boardens Geschichte habe ich vor vielen Jahren durch ein Gedicht kennen gelernt und mich auch ein wenig mit ihrer Geschichte beschäftigt. Das Buch kenne ich allerdings noch nicht. Das werde ich aber bestimmt bald ändern.
Liebe Grüße
Lilly
Hallo Lilly,
was ist das denn für ein Gedicht? Ich würde mich auch gerne intensiver mit ihr und dem Fall beschäftigen, weil ich das Buch so spannend fand.
Liebe Grüße,
Romy
Das ist die erste Meinung, die ich zu dem Buch lese und sie macht wirklich neugierig darauf! Werds mir also weiterhin vormerken und bin gespannt, wie mir die Geschichte gefällt 🙂
Ja, irgendwie gibt es zum Buch bisher kaum Meinungen/Rezensionen. Finde ich sonderbar… Viel Spaß damit, wenn du es dann liest/hörst. Liebe Grüße und einen schönen Sonntag!
Hallo!
Auch ich bin schon mega gespannt auf dieses Buch und deine ist die erste Rezension, die ich dazu lese. ich denke mein Thalia gutschein wird gleich mal dran glauben müssen 😉
Danke für diese tolle Rezi!
Liebe Grüße
Martina
Ach, wie schön! Danke für deine liebe Rückmeldung. Ich wünsche dir viel Spaß damit und hoffe, dass es dir mindestens genauso gut gefällt wie mir :-).
Liebe Grüße,
Romy
Hallo Romy,
das Buch klingt sehr interessant.
Ich hatte über Lizzy Borden schon mal vor vielen Jahren was gelesen, aber ich kann mich leider nicht mehr gut an den Fall erinnern.
Das Buch wandert auf jeden Fall auf meine Wunschliste.
Schade, dass es das Hörbuch nur in gekürzter Fassung gibt, dann werde ich mich wohl für die Printversion entscheiden.
Liebe Grüße und danke für die Rezension
Elisa
Dank dir für deinen lieben Kommentar und viel Spaß beim Lesen. Einen schönen Abend für dich!