„Getränkt vom Blut von Opfern und Tätern gehöre ich nun zu dem Teil der Menschheit, der den Geruch, den Geschmack des Grauens, des Unfassbaren kennt.“
Als Fred Dewilde am 13. November 2015 mit Freunden ins Pariser Bataclan geht, freut er sich auf einen unterhaltsamen Abend und das Konzert der US-amerikanischen Rockband Eagles of Death Metal. Was dann passiert, verändert sein zukünftiges Leben nachhaltig: Das Bataclan wird an diesem Abend eines der Ziele des Islamischen Staates, als an fünf verschiedenen Orten in Paris Attentate durchgeführt wurden, bei denen 130 Menschen starben und fast 700 verletzt wurden, davon beinahe 100 schwer.
In Bataclan. Wie ich überlebte erzählt Dewilde von den Ereignissen vor Ort, von seinem Überleben und von seinem Leben nach dem Überleben, wobei das Letztgenannte den größten Raum im Buch einnimmt und zudem nicht als Graphic Novel, sondern als längerer Fließtext abgedruckt ist.
Bataclan. Wie ich überlebte hat mich von der ersten bis zur letzten Seite beeindruckt: die detaillierten Zeichnungen in S/W, die unheimliche Darstellung der Attentäter als Skelette mit Totenschädeln und Kalaschnikows, die berührenden Schilderungen des Überlebens und der Zeit danach.
Dewildes Schilderungen vom Attentat selbst bringen dem Leser das Grauen nahe, das der Autor im Bataclan erlebt hat. Dabei beschreibt Dewilde seine Angst, die Ungewissheit, was als nächstes kommt, und die Unsicherheit bezüglich der genauen Umstände und des Schicksals seiner Freunde sehr anschaulich und zeigt zudem die große Menschlichkeit, die er unter den Opfern erfahren und die er selbst vermittelt hat. Im eigentlichen Graphic Novel-Teil, der damit endet, wie der Autor nach den Anschlägen nach Hause geht, findet Dewilde knappe, aber passende Worte, um seine Gedanken und Gefühle mit dem Leser zu teilen.
Im zweiten Teil des Buches, in dem es um die Verarbeitung des Traumas geht, erzählt Dewilde ausführlich von Flashbacks, Filmrissen, Vermeidungsverhalten und panikartigen Zuständen, wobei er die Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung sehr eindringlich und realistisch beschreibt. Hier erfahren wir auch von seiner Herkunft aus einem Problemviertel, von der wachsenden Radikalisierung in diesen Stadtteilen/Vorstädten sowie von Schuldgefühlen, die so viele Überlebende oft empfinden. Dieser Teil des Buches kommt fast ohne Bilder aus, und die Texte zu den verschiedenen Themen und Aspekten seines Überlebens empfand ich als ebenso klug, komplex und pointiert wie eindrucksvoll und bewegend.
Wer sich für das Thema interessiert, dem lege ich zudem Katharsis von Rénald „Luz“ Luzier ans Herz, in der er den Terroranschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ am 7. Januar 2015 behandelt, bei dem er zwar selbst nicht vor Ort war, durch den er jedoch enge Freunde und Kollegen verloren hat.
Fred Dewilde: Bataclan. Wie ich überlebte. Panini, 2017, 50 Seiten; 16,99 Euro.