„Er konnte diesen Abend erleben, weil er ihn im Geist vorwegnehmend damals erlebt hatte.“ (Seite 8)
Viktor E. Frankl erzählt in …trotzdem Ja zum Leben sagen von seinen Erfahrungen im Konzentrationslager, aber nicht von „jenen Greueln, die ohnehin schon vielfach geschildert wurden, […] sondern den vielen kleinen Qualen“ (Seite 17).
Frankl trifft in seinem Buch eine grobe Einteilung in drei Phasen des Lagerlebens: die Aufnahme ins Lager, das eigentliche Lagerleben sowie die Zeit nach der Befreiung aus dem Lager. Frankl erzählt von Abstumpfung, Apathie, Hunger, Tod, purer Lebenserhaltung, Kunst, Humor, Leiden, Sinn und Kameradschaft. Dabei zieht er immer wieder Parallelen zu Psychiatrie und Psychologie, was ich als Psychologin natürlich besonders spannend fand.
Ich habe mich schon sehr viel mit der Shoa und dem Nationalsozialismus befasst, doch hier bietet sich ein ganz neuer Einblick in die Thematik. Ich habe das Buch vor allem gelesen, weil ich bei meiner Tätigkeit im Bereich der Psychosenpsychotherapie aktuell viel auf Ressourcen, Resilienz und Sinnfindung fokussiere und Frankl meiner Meinung nach ein Paradebeispiel für Widerstandsfähigkeit und Sinnsuche ist.
Ich empfand die Sprache im Buch anfangs als etwas antiquiert, so dass ich mich erst einlesen musste. Allerdings fand ich das Buch von Anfang an inhaltlich faszinierend und sehr relevant in Sachen Resilienz. Ein wichtiges Zeitdokument!
„Hat dieses ganze Leiden, dieses Sterben rund um uns, einen Sinn? Denn, wenn nicht, dann hätte es letztendlich auch gar keinen Sinn, das Lager zu überleben. Denn ein Leben, dessen Sinn damit steht und fällt, daß man mit ihm davonkommt oder nicht, ein Leben also, dessen Sinn von Gnaden eines solchen Zufalls abhängt, solch ein Leben wäre nicht eigentlich wert, überhaupt gelebt zu werden.“ (Seite 104)
Viktor E. Frankl: … trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager. Penguin Verlag, 2018, 192 Seiten; 10 Euro.
Ein Gedanke zu „… trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager von Viktor E. Frankl“