„Wer sich mit Suizid beschäftigt, beschäftigt sich mit dem Leben!“ (Seite 10)
Manfred Wolfersdorf und Elmar Etzersdorf setzen sich in ihrem Buch mit den vielfältigen Facetten und Aspekten von Suizidalität auseinander: Begriffsbestimmung und Formen von Suizidalität, Epidemiologie, Entwicklung von Suizidalität, ätiopathogenetische Modelle, Suizidprävention und Krisenintervention, Suizidalität bei depressiven Störungen, Schizophrenie, Persönlichkeitsstörungen, Demenz und bipolarer Störung sowie Kliniksuizid, Psychopharmakotherapie, Postvention und Suizidbeihilfe.
Ich habe mich schon sehr viel mit dem Thema Suizidalität beschäftigt und habe in meiner psychotherapeutischen Tätigkeit sehr viel mit dem Thema zu tun. Trotz meines Vorwissens lese ich so ziemlich alles, was ich zum Thema Suizidalität finden kann, möchte mein Wissen in diesem Bereich immer mehr erweitern und dazulernen. Ich schätze vor allem Bücher von Tobias Teismann, war aber auch neugierig auf das Buch von Wolfersdorf und Etzersdorf, da ich mir eine etwas andere Sicht auf das Thema erhofft hatte (was sich auch bewahrheitet hat).
Ich fand das Buch sehr detailliert, sehr gut strukturiert und sehr informativ, dabei aber sprachlich etwas weniger eingängig und weniger flüssig lesbar als Teismanns Bücher.
Da das Thema alles andere als neu für mich war, bin ich selbstverständlich auf viel Bekanntes gestoßen, aber ich habe auch viel neues Wissen erwerben und vorhandenes Wissen ergänzen können. Dabei fand ich sowohl die Breite der Ausführungen als auch die sehr gute Aufbereitung mit Tabellen, Abbildungen und Zusammenfassungen sehr hilfreich und lehrreich. Sehr gelungen fand ich die recht ausführlichen Schilderungen der Suizidalität bei Schizophrenie.
Aufgrund der psychodynamischen Perspektive habe ich, eigentlich stark der Verhaltenstherapie verbunden, ein paar neue Blickwinkel einnehmen können, da teilweise etwas andere Aspekte beleuchtet wurden.
„Suizidalität ist meist kein Ausdruck von Freiheit und Wahlmöglichkeit, sondern von Einengung durch objektive und/oder subjektiv erlebte Not, durch psychische und/oder körperliche Befindlichkeit bzw. deren Folgen, durch gesellschaftlich-kulturelle bzw. ideologische Rahmenbedingungen. Die Benennung >Freitod< ist für den Großteil suizidaler Menschen/Suizide falsch.“ (Seite 30f)
Manfred Wolfersdorf und Elmar Etzersdorfer: Suizid und Suizidprävention. Ein Handbuch für die medizinische und psychosoziale Praxis. Kohlhammer, 2022, 292 Seiten; 59 Euro.