„In den Gesprächen zeigte sich über die unterschiedlichen religiösen Gruppierungen hinweg ein erschreckendes Ausmaß an Gewalt. Die meisten Sektenkinder offenbarten uns in den Gesprächen, in ihrer Kindheit und Jugend Opfer körperlicher und seelischer Misshandlungen geworden zu sein.“ (Seite 39)
In Sektenkinder kommen mehrere Personen zu Wort, die in Sekten (z.B. Neuapostolische Kirche, Zeugen Jehovas, Moon-Bewegung, verschiedene Freikirchen) aufgewachsen und schließlich ausgestiegen sind.
Diese Betroffenen berichten im ausführlichsten Kapitel des Buches von emotionaler Vernachlässigung, körperlicher und sexueller Gewalt, Trennung von den Eltern, Regeln, Willkür, (unerfüllten) Grundbedürfnissen, sekundärer Viktimisierung, Bestrafung, Isolation, Ausgrenzung, „Sektenpersönlichkeit“, aber auch von Verbundenheitsgefühl, Solidarität und Zuwendung.
Weitere Kapitel widmen sich unter anderem dem Ausstieg aus der Sekte und der Zeit danach.
Das Buch richtet sich gemäß der Autoren vor allem an Menschen, die selbst in einer Sekte aufgewachsen sind, sowie an deren Angehörige, Freunde und Unterstützer, aber auch an Personen, die beruflich mit der Thematik in Berührung kommen.
Ich habe mich bislang kaum mit Sekten und Sektenaussteigern beschäftigt, fand den Einblick in diese Thematik dementsprechend spannend, und auch die Umsetzung und die inhaltliche Konzeption haben mir gefallen.
Das Buch zeichnet ein komplexes Bild vom Aufwachsen in einer Sekte, und durch die persönlichen Schilderungen, die sich durch das gesamte Buch ziehen, wirkt das Buch sehr lebensnah und wird die Thematik einfühl- und eindenkbar.
Neben vielen Informationen zum Leben in einer Sekte und zum Ausstieg bietet Sektenkinder auch Einblicke in die Glaubenssysteme einzelner Sekten sowie ganz konkrete Hilfestellung, wenn man selbst betroffen ist und aussteigen möchte. Auch für Außenstehende liefert Sektenkinder wichtige und wertvolle Informationen zur Thematik und ermöglicht so ein besseres Verstehen der Betroffenen, ihrer Bedürfnisse und ihrer Probleme.
„Sektenkinder verlieren beim Verlassen der Gruppe nicht nur ihr gesamtes soziales Umfeld, sie verlieren eine ganze Welt. Sie verlieren das einzige Glaubenssystem und die einzige Heimat, die sie je gekannt haben.“ (Zitat auf Seite 95)
Kathrin Kaufmann, Laura Illig und Johannes Jungbauer: Sektenkinder. Über das Aufwachsen in neureligiösen Gruppierungen und das Leben nach dem Ausstieg. BALANCE buch + medien verlag, 2020, 173 Seiten; 15 Euro.
Dieser Post ist Teil meines Monatsthemas „Sex und Gewalt“ im Dezember 2020.