„Unter den relevantesten Störungen der Persönlichkeit ist die schizoide Persönlichkeitsstörung die unbekannteste. Dies hat vielleicht mit der Schizoidie selbst zu tun, der etwas Verschlossenes und Verborgenes anhaftet. Schizoide Menschen suchen nur vergleichsweise selten Therapien auf und haben die Vorstellung, dass sich Beziehungen und die damit verbundenen Gefühle und Aufgaben letztlich nicht lohnen.“ (Seite 11)
Die Herausgeber fassen in Schizoidie und schizoide Persönlichkeitsstörung die wichtigsten Aspekte des Themas zusammen, schreiben u.a. von Eugen Bleuler und ‚latenter Schizophrenie‘, historischer Entwicklung des Krankheitskonzepts und Kriterien der Cluster A-Persönlichkeitsstörungen, Genetik und Umweltfaktoren, Neurobiologie und Neuropsychologie, Phänomenologie und Diagnostik, Verbindung zu und Abgrenzung von Autismus-Spektrum-Störungen, Emotion und Schizoidie, Psychodynamik schizoider Phänomene sowie Delinquenz.
Das Buch folgt einer psychodynamischen Perspektive. Da ich verhaltenstherapeutisch arbeite, waren einige Ausführungen im Buch (z.B. zur Entwicklung der Störung und zur Therapie) für mich wenig relevant und wenig nachvollziehbar, so wie ich immer meine Probleme mit den Schlüssen und Annahmen einer psychodynamischer Herangehensweise und Arbeitsweise habe. Nichtsdestotrotz habe ich sehr viel aus der Lektüre für mich mitgenommen.
Besonders gelungen fand ich z.B. die ausführlichen Informationen zu diffentialdiagnostischen Erwägungen und zur Abgrenzung von anderen psychiatrischen Störungen sowie die aufgeführten spezifischen Schwierigkeiten in der Psychotherapie.
Anfangs empfand ich das Buch als recht theorielastiges, etwas trockenes Lehrbuch, das jedoch sehr hilfreiche Informationen vermittelt und praxisrelevante Aspekte anspricht. Im Verlauf wurde diese eher sachliche Wissensvermittlung durch viele Fallbeispiele und ausführliche Fallvignetten aufgelockert. So wurde das Phänomen Schizoidie deutlich anschaulicher gemacht und dadurch mehr als reines Lehrbuchwissen vermittelt. Generell zeigt sich, auch durch viele Zitate, die immer wieder in den Fließtext eingeschoben werden, wie ausführlich und gründlich die Autoren recherchiert und dass sie sich sehr intensiv und fundiert mit der Thematik auseinandergesetzt haben.
Schizoidie und schizoide Persönlichkeitsstörung bietet ebenso spannende wie relevante Einblicke in eine eher wenig beachtete Persönlichkeitsstörung, so dass mir das Buch (trotz des psychodynamischen Fokus‘ des Buches und trotz meines verhaltenstherapeutischen Fokus‘) bei meiner täglichen Arbeit als klinische Psychologin hilft, v.a. aufgrund der gelungenen differentialdiagnostischen Informationen im Buch.
Gerhard Dammann und Otto F. Kernberg (Hrsg.): Schizoidie und schizoide Persönlichkeitsstörung. Psychodynamik – Diagnostik – Psychotherapie. Kohlhammer, 2019, 252 Seiten; 36 Euro.