„Es ist auch eine Geschichte über das, was sicher ist, und das, was wir nur für sicher halten. […] Wenn der eine oder andere Leser vielleicht am Schluss selbst etwas verunsichert ist, würde mich das freuen, denn dies bringt uns näher an das Verständnis von Menschen mit Wahn.“ (Seite 7)
Achim Haug, emeritierter Professor für Psychiatrie, erzählt in Reisen in die Welt des Wahns anhand von vier Fallgeschichten von unterschiedlichen Facetten psychotischen Erlebens sowie von psychologischen Grundlagen bezüglich Wahrnehmen, Denken usw.
Er berichtet u.a. von kognitiver Dissonanz, Vulnerabilitäts-Stress-Modell der Schizophrenie, Suizidalität, Praecox-Erleben, schizotyper Persönlichkeitsstörung, Karl Jaspers, doppelter Buchführung, formalen Denkstörungen, Wahnstimmung, Wahnarbeit, Wahneinfall, Wahnwahrnehmung, bizarrem Wahn in der Schizophrenie, Wahndynamik, Jumping-to-Conclusions-Bias, Ich-Störungen, Wahnursachen, Wahnentwicklung, Capgras-Syndrom und Behandlung von Wahn.
Ich bin kein Laie im Bereich Schizophrenie, Psychose und Wahn, und die Terminologie im Buch war mir geläufig, die Phänomene bekannt, Personen wie Kurt Schneider und Karl Jaspers ein Begriff, ihre Arbeit im Bereich der Psychopathologie der Schizophrenie vertraut. Die psychologischen Grundlagen kenne ich aus meinem Psychologie-Studium, die Psychopathologie der Schizophrenie durch eine langjährige Forschungstätigkeit und universitäre Lehre im Bereich der Schizophrenie. Ich kann deshalb schlecht einschätzen, ob das Buch für einen blutigen Anfänger durchweg verständlich ist, aber ich vermute, dass es so ist, denn ich empfand Reisen in die Welt des Wahns als extrem eingängig, spannend und exzellent zusammengefasst. Zudem habe ich trotz intensiver Vorkenntnisse sehr viel von Haug gelernt, habe interessante Einblicke in verschiedene Aspekte erhalten und außerdem Erklärungen bekommen, die mir selbst beim tieferen Verständnis von Wahnerkrankungen geholfen haben.
Es ist wirklich beeindruckend, wie sehr es Haug vermag, dem Leser verschiedene Phänomene nahe zu bringen. Dabei helfen einerseits seine Gedankenspiele, andererseits seine detaillierten Erklärungen, die dazu führen, dass man sich als Nicht-Betroffener etwas besser vorstellen kann, wie sich Wahn und Halluzinationen anfühlen, was in Betroffenen vorgeht, was mit ihnen geschieht, was Wahn für sie und für Außenstehende bedeutet.
Haug stellt in Reisen in die Welt des Wahns vier verschiedene Fallgeschichten vor, die anschaulich zeigen, wie heterogen Wahnerkrankungen sind, wobei der Autor packend von biografischen Aspekten, Symptomen und Therapie berichtet, berührt und bewegt, aufklärt und informiert.
Reisen in die Welt des Wahns ist ein kluges und respektvolles Buch, das dem Leser tiefe Einblicke in die Psychopathologie von Wahnerkrankungen, aber auch in die Geschichte der Psychiatrie gewährt. Ich wünsche dem Buch sehr viele Leser und mir persönlich weitere Bücher von Haug.
„Ich habe versucht, ein unterhaltsames Buch zu schreiben. Darf man das? Meine Hoffnung ist, dass auf diesem Weg mehr Menschen von den Erkrankungen erfahren, von denen das Buch handelt. Vielleicht trauen sie sich so etwas näher heran an psychische Störungen. […] Ich hoffe […], dass wir den Menschen, die […] daran leiden, im Verständnis etwas näher gekommen sind.“ (Seite 219f)
Achim Haug: Reisen in die Welt des Wahns. C.H. Beck, 2019, 254 Seiten; 19,95 Euro.
Dieser Post ist Teil des Monatsthemas „Psychische Störungen“ im Februar 2019.