„Es gibt also keinen Grund, Personen mit diesen Problemen abzuwerten oder auszugrenzen. Vielmehr gibt es viele Gründe zu versuchen, diese Personen zu verstehen (was im Grunde auch gar nicht so schwierig ist) und zu versuchen, Kontakt zu ihnen aufzunehmen, um sie „da abzuholen, wo sie sich befinden“, und ihnen zu ermöglichen, ihr Verhalten zu verändern.“ (Seite 17)
Rainer Sachse erklärt in Persönlichkeitsstörungen verstehen initial, dass Persönlichkeitsstörungen Beziehungsstörungen sind, wie sich Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung verhalten, wann eine Störung vorliegt, wann eine Diagnose hilfreich ist und wann nicht, bevor er auf das von ihm entwickelte Modell der doppelten Handlungsregulation eingeht. Im Rahmen dieses Modells erläutert Sachse, was Motiv- und was Spielebene bedeutet, welche Rolle Schemata, Images, Appelle und Tests spielen.
Im Folgenden geht Sachse näher auf die Charakteristika von Menschen mit Persönlichkeitsstörungen ein, z.B. auf Ich-Syntonie, geringe Änderungsmotivation und Verwicklung in Spiele. Er erklärt, welche therapeutischen Möglichkeiten bestehen, welche Strategien man als Therapeut anwenden kann und wie Alternativverhalten aufgebaut werden kann.
Im ausführlichsten Kapitel seines Buches beschreibt Sachse die Besonderheiten einzelner Persönlichkeitsstörungen und erwähnt dabei die narzisstische, die histrionische, die dependente, die selbstunsichere, die passiv-aggressive, die schizoide, die paranoide und die zwanghafte Persönlichkeitsstörung.
Ich kenne Sachses Modell der doppelten Handlungsregulation von meiner beruflichen Tätigkeit als Psychologin, weil wir dieses Modell in der Klinik, in der ich arbeite, nutzen, um Patienten eine Rückmeldung über diagnostizierte Persönlichkeitsstörungen oder -akzentuierungen zu geben. Schon bei meinem ersten Kontakt mit dem Modell hat mich der wohlwollende, respektvolle und verständnisvolle Ansatz beeindruckt, weshalb ich gerne mehr darüber lesen wollte, und durch die Lektüre von Sachses Persönlichkeitsstörungen verstehen habe ich mein Wissen nun deutlich vertiefen können.
Sachses Ausführungen sind entpathologisierend und wertschätzend, so dass es das Buch ermöglicht, mehr Verständnis für Menschen mit Persönlichkeitsstörungen und -akzentuierungen aufzubringen. Zudem hat die Lektüre mein Interesse an der Arbeit mit diesen Patienten verstärkt, da Sachses Schilderungen die Komplexität der Thematik sehr gut abbilden und die Dynamik der Störungen sehr gelungen erklären.
Ich empfand das Buch als extrem spannend zu lesen, und durch die gute Verständlichkeit von Sachses Beschreibungen ist das Buch meiner Meinung nach nicht nur für Professionelle, sondern auch für Betroffene und Angehörige gut geeignet und wertvoll.
Für meine berufliche Tätigkeit hat mir zudem der starke Praxisbezug des Buches geholfen. So erklärt Sachse z.B. für die einzelnen Persönlichkeitsstörungen, was zentrale Beziehungsmotive und Schemata sind, was auf der Spielebene passiert, welche Tests man als Therapeut erwarten kann, wie man sich in Bezug auf Motiv- und Spielebene verhält, wie man konfrontiert und wie man Alternativen aufbaut.
Ich habe durch die Lektüre extrem viel über den Umgang mit Menschen mit Persönlichkeitsstörungen gelernt und hatte beim Lesen das Gefühl, dass in diesem Buch einfach alles wichtig und relevant ist. Auf jeder Seite habe ich mir Sätze oder ganze Abschnitte markiert, die ich sicherlich immer wieder nachlesen und das Buch generell zum Nachschlagen verwenden werde.
Rainer Sachse: Persönlichkeitsstörungen verstehen. Psychiatrie Verlag, 2018, 123 Seiten; 20 Euro.
Ein Gedanke zu „Persönlichkeitsstörungen verstehen. Zum Umgang mit schwierigen Klienten von Rainer Sachse“