„Was Menschen mit psychischen Erkrankungen also eigentlich als Erstes brauchen, ist eine verstärkte Akzeptanz und Toleranz gegenüber […] leidvollen Aspekten ihres Lebens, um sie dann anschließend verändern zu können.“ (Seite 1)
Alice Diedrich beschreibt in ihrem Buch initial, was Mitgefühl ist und was es nicht ist, demonstriert ein mitgefühlsfokussiertes Störungsmodell, beschreibt die Wirkungsweise von Mitgefühl. Danach bietet sie Informationen zu Korrelaten und Auswirkungen von Mitgefühl, erwähnt Ziele und Indikationen mitgefühlsfokussierter Interventionen.
Im Anschluss geht Diedrich näher auf die Steigerung mit Mitgefühl in der Praxis und auf Interventionsansätze zur Förderung von Mitgefühl im Einzel- und Gruppensetting ein.
Im Anhang und auf der CD-ROM finden sich z.B. Fragebögen und das Erklärungsmodell.
(Selbst-) Mitgefühl klang für mich lange nach Esoterik. Mittlerweile weiß ich, dass Mitgefühl essentiell für psychische Gesundheit ist und dass Mitgefühl nichts mit Toxic Positivity, Naivität oder New Age zu tun haben muss.
Genau aus diesem Grunde fand ich die Ausführungen der Autorin zu Mythen sehr hilfreich und gelungen, da sie den Leser, der Mitgefühl mit den eben genannten Themen assoziiert, genau da abholt und klarstellt, was eigentlich hinter dem Begriff Mitgefühl steht und warum Mitgefühl so wichtig ist.
Den theoretischen Hintergrund fand ich insgesamt sehr gut hergeleitet. Diesen Teil fand ich hilfreich für mich, aber auch für Psychoedukation, um anderen das Konzept des (Selbst-) Mitgefühls nahe zu bringen.
Schön fand ich die vielen Übungen und genau beschriebenen Abläufe, so dass man als Leser eine gute Übersicht erhält, wie man bei der mitgefühlsfokussierten Arbeit am besten vorgeht.
Das Buch hat mir genau das geboten, was ich gesucht habe, um mitgefühlsfokussierte Techniken in meine tägliche psychotherapeutische Arbeit einfließen zu lassen. Ich möchte in Zukunft gerne einen stärkeren Fokus auf das Thema legen – nicht nur für meine Patienten, sondern auch für mich selbst.
„Vor dem Hintergrund dessen, dass Mitgefühl eine evolutionär bedingte, biologisch verankerte, überlebensnotwendige kognitiv-affektiv-motivationale Reaktion ist, die eine adäquate Regulation von leidvollen Erfahrungen ermöglicht und damit ein Fundament für Weiterentwicklung und Wachstum darstellt, ist es eigentlich erstaunlich, dass eine gezielte Förderung von Mitgefühl erst in den letzten Jahren vermehrt Beachtung in der Psychotherapie gefunden hat.“ (Seite 121)
Alice Diedrich: Mitgefühlsfokussierte Interventionen in der Psychotherapie. Hogrefe Verlag, 2016, 160 Seiten; 26,95 Euro.