„Das Wunder der menschlichen Fortpflanzung war Chani und Baruch versagt geblieben. Etwas war schiefgegangen. Bei ihnen war das Mysterium des Lebens ins Straucheln geraten.
Also wartete sie, ein gutes jiddisches Mädchen, dass ihr guter jiddischer Ehemann von seinen Bemühungen zurückkehrte. War es sein Fehler oder ihrer? Wessen Körper wohl schuld war? Tief im Inneren wusste sie, dass es ihrer war. Sie musste so abscheulich gesündigt haben, dass HaSchem sie unfruchtbar gemacht hatte.“ (Track 1)
Chani und Baruch leben seit ihrer Hochzeit in Jerusalem, wo Baruch den Talmud studiert und sich auf sein Leben als Rabbi vorbereitet. Die beiden sind glücklich miteinander, doch für Chani ist das Glück getrübt: Sie wird nicht schwanger und hat Angst, dass Baruch sich trennen könnte, um eine fruchtbare Frau zu heiraten.
Ausgerechnet Chanis Schwiegermutter, die sie als Ehefrau für ihren Sohn stets abgelehnt hat, hilft den beiden und zahlt die Behandlung in einer Londoner Kinderwunschklinik.
Die ehemalige Rebbetzin Rivka Zilberman, die im ersten Chani-Kaufman-Band Chani auf die Ehe vorbereitet und schließlich ihren Mann Chaim und die Kehilla, die jüdische Gemeinde, verlassen hat, verliert in der Folge den Kontakt zu ihren Kindern, wird ausgegrenzt und beschimpft und muss sich erst wieder selbst finden. Nur mit Avromi, ihrem ältesten Sohn, hat Rivka noch Kontakt, doch Avromi ist weit weg, studiert in Jerusalem an der Talmudschule, doch auch er hadert mit seinem jüdischen Glauben.
Ich fand den ersten Teil der Chani-Kaufman-Reihe (Die Hochzeit der Chani Kaufman) schlichtweg wundervoll und habe mich seitdem auf den nächsten Band gefreut, der ebenso stimmungsvoll, berührend, unterhaltsam, lehrreich und wunderbar ist.
Von der ersten Hörminute an bin ich wieder eingetaucht in die Welt des orthodoxen Judentums, und die mehr als 12 Hörstunden vergingen wie im Fluge. Durch die verschiedenen Erzählstränge ist das Buch sehr abwechslungsreich und beim Lesen/Hören bekommt man Einblicke in verschiedene Facetten des orthodoxen Judentums.
Die Handlungsorte wurden – wie bereits im 1. Band – sehr lebendig und atmosphärisch beschrieben, die Figuren wurden überzeugend charakterisiert, sind oft warmherzig, wachsen einem ans Herz, lassen einen beim Lesen/Hören mitfiebern, bewegen und berühren. Auch sprachlich ist der Roman sehr gelungen, durch die vielen jiddischen und hebräischen Begriffe sehr authentisch, insgesamt eindringlich und eingängig geschrieben.
Die Lesung durch Anna Schudt ist geradezu perfekt, sie sorgt dafür, dass man immer weiter lauschen und in die Geschichte eintauchen möchte.
Die Hoffnung der Chani Kaufman ist eines meiner Lieblingshörbücher 2024, und ich freue mich schon unbändig auf den 3. Band. Bis dahin werde ich Chani, Baruch, Rivka, Avromi und all die anderen wunderbaren Figuren vermissen – fast so, wie ich Freunde, die ich begleitet und von denen ich mich (auf Zeit) verabschieden muss, vermisse.
Eve Harris: Die Hoffnung der Chani Kaufman. Aus dem Englischen von Kathrin Bielfeldt. Ungekürzt gelesen von Anna Schudt. Diogenes, 2024; 16,95 Euro.