„Als ich ein Kind war, gab es ein Buch […] über ein Einhorn, das ins Meer ging und zum Narwal wurde. Das Buch hatte wunderschöne Abbildungen, dunkelblaue Meere, pfirsichblasse Abendhimmel. Aber das Bild, an das ich mich am besten erinnerte, zeigte die Harpyien: dunkle Schatten, Vögel mit Frauengesichtern, die heranstießen, um das Einhorn zu quälen, es leiden zu lassen.
Ich fragte meine Mutter, was eine Harpyie sei; sie sagte, dass sie Männer für das strafen, was sie tun.“ (Seite 37)
Lucy und Jake leben gemeinsam mit ihren beiden Söhnen in einer englischen Kleinstadt. Als Lucy von einer Affäre zwischen Jake und einer Kollegin erfährt, beschließt das Paar, sich nicht zu trennen. Stattdessen bietet Jake an, dass Lucy ihn drei Mal verletzen darf, um seinen Verrat wiedergutzumachen.
Aufgrund der ungewöhnlichen Covergestaltung war ich neugierig auf den Roman, doch der Schreibstil hat mich von Anfang an ziemlich verwirrt, so dass ich nur schwer in die Geschichte gefunden habe.
Mich hat vor allem die im Klappentext beschriebene Veränderung Lucys interessiert, bei der ‚die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit verschwimmen‘, doch beim Lesen haben mich diese Ausführungen nur wenig gefesselt und insgesamt enttäuscht. Für mich war der Roman einfach nicht stimmig und nicht glaubwürdig.
Zudem finde ich die Botschaft im Buch (gelinde gesagt) sonderbar. Diese alttestamentarische Rachefantasie, wodurch ein Fehltritt durch ein Heimzahlen wiedergutgemacht werden kann, ist einfach überhaupt nicht Teil meiner Lebenswelt, so dass ich mich nicht wirklich auf diese Gedankengänge einlassen konnte und wollte.
Megan Hunter: Die Harpyie. Übersetzung von Ebba D. Drolshagen. C.H. Beck, 2021, 229 Seiten; 22 Euro.
Dieser Post gehört zum Vogel-Monatsthema im Dezember 2021.