Der Wilde von Guillermo Arriaga

„Der Selbsterhaltungstrieb ist stärker als der Todestrieb. Daher ist der größte aller Schrecken die Angst vor dem Tod.“ (Seite 92)

Juan Guillermo scheint den Tod zu bringen: Noch vor der Geburt stirbt sein Zwillingsbruder Juan José. Jahre später wird sein Bruder Carlos umgebracht. Und schließlich sterben seine Großmutter und seine Eltern.

Juan Guillermo bleibt allein in seinem Elternhaus zurück und sinnt auf Rache.

Ich habe bereits mehrere Bücher von Guillermo Arriaga gelesen und liebe zudem die Filme von Alejandro González Iñárritu, die häufig auf (Dreh-) Büchern von Arriaga basieren. Der Wilde stand trotz meines großen Interesses am Autor eine gefühlte Ewigkeit ungelesen in meinem Regal, möglicherweise hat mich die Dicke des Buches etwas abgeschreckt. Nach der Lektüre ärgere ich mich nun fast ein bisschen, dass ich diesen großartigen Roman nicht schon längst gelesen und reihenweise empfohlen habe.

Der Wilde erzählt nicht nur die Geschichte um Juan Guillermo und seine Rache an den Mördern seines Bruders, der sein großes Idol war, sondern ist zudem verwoben mit Legenden, Mythen und Philosophie sowie dem Leben in Mexiko, thematisiert Drogenhandel, religiösen Fanatismus und Korruption, berichtet von Wölfen, deren Zucht und Zähmung.

Der Roman ist von Anfang bis Ende fesselnd und liest sich unterhaltsam, verlangt durch die vielen Zeitsprünge aber die volle Aufmerksamkeit vom Leser. Ich fand den recht schnellen Wechsel der Handlungsstränge sowie die Unterbrechungen der Geschichte durch Überlieferungen aus verschiedenen Kulturen sehr kunstvoll ausgeführt und sehr abwechslungsreich, und nach der Lektüre habe ich das Gefühl, dass mir Arriaga wirklich und wahrhaftig nahegebracht hat, wodurch das Leben in Mexiko geprägt wird, was den Alltag ausmacht, wie die Menschen leben, welche Werte und Sehnsüchte sie haben.

Der Wilde ist ein stellenweise sehr brutales Buch, wurde jedoch grandios konstruiert, ist durchweg überzeugend, und auf den letzten 150-200 Seiten wird ein so gewaltiger Sog aufgebaut, dass man sich der Geschichte nicht entziehen und das Buch nicht zur Seite legen kann.

Ich empfehle diesen Roman, in dem es unter anderem um Verrat, Macht, Verlust und Rache geht, allen, die sich für Mexiko interessieren und/oder die sich mittels einer faszinierenden Geschichte auf authentische Weise in eine andere Lebenswelt versetzen lassen möchten.

Guillermo Arriaga: Der Wilde. Aus dem Spanischen von Matthias Strobel. Klett-Cotta, 2020, 746 Seiten; 14 Euro.

Dieser Post ist Teil meines Mexiko-Monatsthemas im Juli 2021.

3 Gedanken zu „Der Wilde von Guillermo Arriaga“

  1. Hallo,

    huch, das Buch fristet hier ja auch noch ein Schattendasein… Das sollte ich wohl bald mal ändern – sobald ich die noch vorhandenen Rezensionsexemplare durchhabe!

    Schöne Rezension!

    LG,
    Mikka

    1. Ja, ändere das :-). Ich hab auch viel zu lang gewartet. Bei so einem dicken Buch muss man aber einfach in der Stimmung sein und den richtigen Moment abwarten. Viel Spaß damit und liebe Grüße.

Dazu hab ich auch was zu sagen!