Artenreich. Eine Hommage an die Vielfalt von Joel Sartore

„Denn Ökosysteme verändern sich, wenn Arten verschwinden. Ohne Bestäuber wachsen keine Feldfrüchte. Ohne Beutegreifer zerreißt die Nahrungskette. Ohne Affen, Vögel oder Schildkröten werden im Wald keine Samen mehr verbreitet, und damit sterben auch die Bäume aus, die uns mit sauberer Luft und frischem Wasser versorgen und das Klima im Gleichgewicht halten. Wir müssen begreifen, dass die Wälder und Meere, die Feuchtgebiete und Savannen der Welt nicht nur den Tieren in diesem Buch einen Lebensraum bieten. Sie sind das gemeinsame Zuhause für uns alle.“

Wen schon das Coverbild des fluffigen und irgendwie unwirklich aussehenden Albino-Baumstachelschweins zum Lächeln bringt, der sollte unbedingt zu diesem Buch greifen, denn Joel Sartore hat in Artenreich wirklich großartige Arbeit geleistet.

Nach einem Vorwort von Harrison Ford, dem stellvertretenden Vorsitzenden im Vorstand von Conservation International, und einem einführenden Text des Wildbiologen Douglas H. Chadwick werden mehr als 400 Tierporträts vorgestellt, die von Sartore meisterhaft fotografiert und perfekt in Szene gesetzt wurden.

Ich fotografiere selbst, und ich liebe schöne Bildbände. Auch bei hochwertigen Bildbänden passiert es jedoch bisweilen, dass sich die spektakulären und exzellent aufgenommenen Bilder beim Betrachten des gesamten Buches irgendwann abnutzen, mich im Verlauf nicht mehr jedes Foto begeistern kann, obwohl allesamt hervorragend fotografiert wurden. Möglicherweise ist das so, weil sich beim Betrachten der Bilder oft ein gewisser Gewöhnungseffekt einstellt, weil es sich um Fotos aus einem bestimmten Themengebiet handelt oder die Bilder in ähnlicher Technik aufgenommen wurden.

Auch bei Artenreich gibt es diesen gemeinsamen Nenner: Bilder von Tieren mit schwarzen oder weißen Hintergründen, also ganz ohne Kontext und ohne jeden Schnickschnack. Man könnte nun annehmen, dass genau dies dazu führen könnte, dass Artenreich den Betrachter irgendwann ermüden lässt, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Sartore zeigt durch seinen Minimalismus einerseits die Gleichheit zwischen den Tieren, wobei durch die Kontextlosigkeit auch das Gefühl für die Größe des jeweiligen Tieres abhanden kommt (außer, wenn man die Tiere kennt). Andererseits zeigt er dadurch die Besonderheit der Tiere und häufig auch ihre ganz eigene Persönlichkeit. Dabei wird das Auge durch nichts abgelenkt, und der Fokus liegt stets auf dem Tier selbst.

Jedes Foto im Bildband ist dabei einzigartig, und durch die Anordnung der Bilder entstehen viele humorvolle Situationen, in denen ähnliche Positionen, Färbungen, Ausdrücke etc. bei ganz unterschiedlichen Tierklassen einander gegenübergestellt werden, z.B. auf der linken Seite die leere, geöffnete Schale einer Muschel, auf der rechten Seite ein Pfeilfrosch mit geöffnetem Maul.

Ich bin absolut begeistert von diesem wunderbaren Bildband mit amüsanten, traurigen, niedlichen, charismatischen, spektakulären Tierporträts.

Joel Sartore: Artenreich. Eine Hommage an die Vielfalt. Aus dem Englischen von Dr. Ulrike Kretschmer. National Geographic Verlag, 2017, 400 Seiten; 60 Euro.

Dieser Post ist Teil meines Klima-Monatsthemas im August 2021.

Dazu hab ich auch was zu sagen!