Geschenkideen für Uroma Sieglinde, die glaubt, dass Literaturnobelpreisträger unlesbar sind

Es gibt durchaus Literaturnobelpreisträger, mit denen ich nicht warm geworden bin, z.B. Thomas Mann, Günter Grass, Elfriede Jelinek und Herta Müller.

Es gibt aber auch viele Preisträger, die zu meinen absoluten Lieblingsautoren zählen und die überraschend einfach lesbar, oft sehr unterhaltsam und stets unnachahmlich bezüglich ihres Stils sind – und diese möchte ich hier vorstellen.

Von den meisten der unten erwähnten Autoren kenne ich mehr als ein Werk, aber ich habe mich entschlossen, nur ein Buch pro Autor vorzustellen und habe – natürlich – dasjenige genommen, das ich am beeindruckendsten fand.

John Steinbeck (1962)
Von Mäusen und Menschen
George und Lennie verdienen sich ihren Lebensunterhalt als Wanderarbeiter, ziehen gemeinsam durchs Land und suchen nach Arbeit auf einer Farm. Die beiden Männer halten zusammen und träumen gemeinsam von einer eigenen Farm, auch wenn George oft wütend auf Lennie ist, der die beiden aufgrund seiner Vergesslichkeit und seiner extremen körperlichen Kraft immer wieder in Bedrängnis bringt, wodurch sie gezwungen sind, zur nächsten Farm weiterzuziehen. [Hier geht’s zu meiner ausführlichen Rezension.]

Jean-Paul Sartre (1964)
Geschlossene Gesellschaft
Drei Personen, die sich im Leben nicht kannten, müssen nach ihrem Tod für alle Ewigkeit zusammen in einem Raum verbringen. Beim Lesen von Sartres Stück wird klar: „Die Hölle, das sind die anderen!“

Alexander Issajewitsch Solschenizyn (1970)
Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch
Der Roman erzählt von einem Tag in einem sowjetischen Gulag und beruht auf Solschenizyns eigenen Erfahrungen als Häftling. Aufgrund der Tatsache, dass Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch auf den Memoiren, Aufzeichnungen und Erinnerungen Solschenizyns basiert, besticht der Roman durch hohe Authentizität, und die Schilderungen des Autors, die nicht das große Grauen der Gulags thematisieren, sondern vielmehr die alltäglichen Schikanen, den permanenten Hunger, die klirrende Kälte, die allgegenwärtigen Beschimpfungen und die schwere Arbeit behandeln, bieten einzigartige Einblicke in die eher unbekannte Welt der sowjetischen Gulags. [Hier geht’s zu meiner ausführlichen Rezension.]

Gabriel García Márquez (1982)
Hundert Jahre Einsamkeit
Gabriel García Márquez erzählt in seinem Roman Hundert Jahre Einsamkeit, der 1967 in Buenos Aires erstveröffentlicht wurde und 1970 erstmals in Deutsch erschien, von der Gründung des Dorfes Macondo, von sieben Generationen der Familie Buendía und schließlich vom Niedergang Macondos. Dabei berichtet er nicht nur von Alchemie und Prophezeiungen, von Liebe und Liebschaften, von Krieg und Gewalt, von Tod und Sterben, sondern verwebt zudem historische Ereignisse in der Geschichte Kolumbiens/Lateinamerikas wie den Bau der Eisenbahn und den Einfluss der United Fruit Company mit seiner komplexen Geschichte um die Buendías und Macondo. [Hier geht’s zu meiner ausführlichen Rezension.]

Nagib Mahfuz (1988)
Die Kairo-Trilogie (Zwischen den Palästen, Palast der Sehnsucht, Zuckergässchen)
Ich habe Mahfuz‘ Kairo-Trilogie vor etwa 20 Jahren mit großer Begeisterung gelesen. Mahfuz erzählt dabei die Geschichte von Abd al-Gawwad und seiner Familie. Neben der faszinierenden Familiengeschichte erfährt man zudem von der Geschichte Ägyptens und Kairos, politischen Entwicklungen und dem Alltag im Land.

José Saramago (1998)
Die Stadt der Blinden
Ein Mann steht an einer Ampel und erblindet von einem Moment auf den anderen. Dasselbe passiert anderen Menschen in der Stadt, und bald wird klar, dass es sich um eine sonderbare Seuche handelt. Die Betroffenen werden isoliert und bei einem Fluchtversuch erschossen, die Situation entgleist schließlich immer mehr.

Imre Kertész (2002)
Roman eines Schicksallosen
Der Roman ist eines meiner Lieblingsbücher und meiner Meinung nach der beste Roman, der je über die Konzentrationslager geschrieben wurde. Kertész erzählt (angelehnt an seine eigenen Erfahrungen) von einem Jugendlichen, der nach Auschwitz deportiert wurde, der wie durch ein Wunder überlebt und der auf eine sehr untypische, naive Weise von den Lagern erzählt.

J. M. Coetzee (2003)
Leben und Zeit des Michael K.
Der Roman hat mich noch mehr begeistert als Coetzees berühmter Roman Schande. Coetzee erzählt hier von Michael K., der in Armut lebt und die immer gefährlichere Stadt verlässt, um auf dem Land zu leben. Dem Leser werden dabei tiefe Einblicke in ein Südafrika vor der Beendigung der Apartheid gewährt.

Orhan Pamuk (2006)
Rot ist mein Name
Der Roman spielt im 16. Jahrhundert in Istanbul. Vordergründig handelt es sich um einen Krimi, denn gleich zu Beginn des Buches erfährt der Leser vom Mord an einem Illustrator. Das Besondere an diesem wundervollen Roman sind aber zum Einen die Erzählweise, denn die Geschichte wird von verschiedenen Personen bzw. Objekten erzählt (vom Tote selbst, von einem Baum usw.), zum Anderen erhält man als Leser spannende Einblicke in die Kunst der Illustration. Die Farbe Rot zieht sich dabei buchstäblich wie ein roter Faden durch die Geschichte.

Mario Vargas Llosa (2010)
Tod in den Anden
Drei Menschen sind in den peruanischen Anden spurlos verschwunden: der stumme Pedro Tinoco, der Albino Casimiro Huarcaya und Demetrio Chanca, der Vorarbeiter der Sprengbohrer. Korporal Lituma und sein Amtshelfer Tomás sollen das Verschwinden dieser Männer aufklären und sitzen aus diesem Grunde in Naccos fest. Dort ist das Leben nicht gerade einfach: die Dorfbewohner sind misstrauisch, Terroristen machen die Umgebung unsicher und unheimliche Geschichten werden erzählt.

Alice Munro (2013)
Himmel und Hölle
Alice Munro erzählt Geschichten von interpersonellen Beziehungen, von Liebe, von Schuld, von Leiden, von Tod. Die Autorin beginnt ihre Erzählungen beinahe beiläufig. Der Leser ahnt initial noch nichts von der psychologischen Wucht der beschriebenen Szenarien, die sich erst nach und nach entfalten, und den Leser schließlich ganz unverhofft bewegen, verstören, anrühren.

Swetlana Alexandrowna Alexijewitsch (2015)
Secondhand-Zeit
Über Interviews, die Swetlana Alexandrowna Alexijewitsch als Journalistin führte, fand die weißrussische Autorin ukrainischer Abstammung zu einer eigenen literarischen Gattung, dem dokumentarischen Roman in Stimmen. In Secondhand-Zeit gibt Alexijewitsch einer Vielzahl von Personen eine Stimme: Menschen, die die gesellschaftlichen Veränderungen im Rahmen von Perestroika, der Öffnung des Eisernen Vorhangs und dem Zerfall der Sowjetunion am eigenen Leib erlebt haben und die mit Alexijewitsch von ihren Hoffnungen und Enttäuschungen, von der Zeit der gebrauchten Ideen, von der „Secondhand-Zeit“ sprechen. Sie erzählen von Mangelversorgung und Zufriedenheit mit dem Leben in der Sowjetunion, von Kapitalismus und sozialer Unsicherheit im postkommunistischen Russland, von Denunziation und Hunger, von Gulags und Stalinismus, von Aufbruchstimmung und Stolz auf die Heimat, von Kaltem und Tschetschenien-Krieg, von Liebe und Sehnsucht, von Alkoholismus und Gewalt. [Hier geht’s zu meiner ausführlichen Rezension.]

Dieser Post ist Teil des Themas „Geschenkideen“ im Dezember 2017.

2 Gedanken zu „Geschenkideen für Uroma Sieglinde, die glaubt, dass Literaturnobelpreisträger unlesbar sind“

  1. Hey Romy,
    diesen Beitrag mag ich sehr gerne! Viele Preisträger hast du schon gelesen, wie man das hier sehen kann.

    Aus deiner Liste kenne und Liebe ich Machfuz und die Kairo-Trilogie. Es ist sicherlich schon 20 Jahre her, dass ich sie gelesen habe!
    Saramagos „Stadt der Blinden“ habe ich nach dem zweiten Drittel abgebrochen. Ich konnte einfach nicht weiter lesen. Es hat mich so sehr fertig gemacht, was dort passiert, dass ich mich nicht mehr zwingen konnte, weiter zu lesen. Der Witz dabei ist, dass ich noch 3 weitere Leute kenne, denen es, unabhängig von mir, genauso ging. Unglaublich, oder?
    Von Pamuk höre ich derzeit „Das stille Haus“. Musste aber Pause machen, weil ich nicht so gut in die Geschichte reingekommen bin. Ich stehe kurz vom Abbruch aber ich möchte es irgendwie ungern abrechen. „Die rothaarige Frau“ steht auf meiner Wunschliste. Ich hoffe, ich kann das Buch bald lesen / hören. „Rot ist meine Name“ werde ich mir mal anschauen.

    Danke für diesen genialen Beitrag!
    GlG, monerl

    1. Salut, danke für deine liebe Rückmeldung! Ich habe die meisten der oben genannten Bücher auch vor 15 – 20 Jahren gelesen und hab jetzt wieder riesige Lust darauf.

      Beim Saramago ging es mir gar nicht so wir dir. Manchmal ist es aber spannend, wie man ein Buch mit einem Jahrzehnt oder länger dazwischen liest und empfindet – wer weiß, ob ich den Saramago dann noch aushalten würde…

      Von Pamuk kenne ich nur Rot ist mein Name und das aktuelle Buch (Die rothaarige Frau).

      Liebe Grüße 🙂

Dazu hab ich auch was zu sagen!