„Schon vor langer Zeit habe ich entdeckt, dass ich lieber und vermutlich auch besser mit psychoseerfahrenen Menschen arbeite als mit anderen Patientinnen und Patienten. Ich glaube, es hat damit zu tun, dass Menschen in Psychosen vor allem mit sich selbst beschäftigt und in sich selbst verunsichert sind. […] Es berührt mich in eigenen ungefähren Ahnungen, Gefühlen, Hoffnungen und Ängsten. Und es lässt mich in der Rolle als Gegenüber auf eine gewisse Weise ‚in Ruhe‘. Ich werde nicht sofort in vordergründige Beziehungsscharmützel verwickelt, muss mich nicht automatisch gegen Manipulationen wehren, egal, ob die vom Patienten oder von mir selbst ausgehen. So verrückt es klingen mag: Ich habe mehr Zeit und kann gelassener bei mir selbst bleiben. Der psychotische Mensch wirkt, als sei er in einer eigenen anderen Welt. Und ich kann in Ruhe versuchen, Brücken zu bauen, um ihn in seiner Welt zu besuchen, um unsere Welten wieder zu verbinden und unsere Wahrnehmungen wieder anzunähern.“ (Seite 7)
Thomas Bock erzählt in Umgang mit psychotischen Patienten von seiner eigenen Faszination für Psychosentherapie, von Besonderheiten im Denken, Fühlen und Handeln bei Psychosen, von Entstehung und Aufrechterhaltung von Psychosen, von Kontakt und Gesprächsführung sowie von Psychosentherapie. Zudem setzt er sich mit Fragen wie dem Umgang mit Wahnerleben, Negativsymptomatik, depressiven Denkmustern und manischem Erleben auseinander und verdeutlicht seine Ausführungen an Fallbeispielen.
Ich habe schon einige Bücher von Bock gelesen, und meine erste „Begegnung“ mit ihm im Film Nicht alles schlucken/Umgang mit Psychopharmaka hat mich nachhaltig geprägt und neugierig auf alles gemacht, was er zum Thema Psychiatrie und vor allem zu Psychosen veröffentlicht.
Bock ist mittlerweile mein Vorbild für meine Arbeit als Psychotherapeutin und vor allem in Bezug auf die Arbeit mit Menschen mit Psychosen/Schizophrenie, denn Bocks Menschlichkeit, sein ehrliches Interesse am Menschen und sein tiefgehendes Verständnis von Menschen mit Psychosen ist beeindruckend, hilft bei der Entstigmatisierung und ist somit wichtig, hoffnungsvoll und lehrreich. Auch die „Basiswissen“-Reihe des Psychiatrie Verlages kenne ich mittlerweile gut, so dass mir klar war, dass ich auch Bocks Beitrag zur Reihe lesen möchte und werde.
Bereits von der ersten Zeile an spürt man Bocks Respekt gegenüber Betroffenen. Seine Bücher zu lesen macht mich dadurch regelrecht glücklich, weil Bock vorlebt, wie mit Menschen mit Psychose umgegangen werden sollte, muss und kann.
Umgang mit psychotischen Patienten liest sich – wie Bocks Bücher im Allgemeinen – etwas ungewöhnlich: sowohl inhaltlich, weil der Autor dem Mainstream der Psychosebehandlung ein Gegenstück bietet, als auch sprachlich, weil er bisweilen eine etwas andere Terminologie verwendet, sich sehr gewählt und oft geradezu philosophisch ausdrückt. Dadurch gerät der Lesefluss manchmal ins Stocken, und Bocks Ausführungen wirken ein wenig umständlich oder zu ausufernd. Inhaltlich kann Umgang mit psychotischen Patienten jedoch auf ganzer Linie überzeugen, so wie ich das stets bei Bocks Büchern empfinde.
„Sicherlich ist die Begegnung mit psychoseerfahrenen Menschen nicht immer leicht, manchmal auch dramatisch, vor allem aber reizvoll. So wie bei der Bewältigung eigener Psychosen die subjektive Einstellung eine wesentliche Rolle spielt, so kommt es auch bei der therapeutischen Arbeit vor allem auf unsere innere Haltung an. Unsere Offenheit und Ehrlichkeit, unser Interesse und unsere Akzeptanz vermitteln sich durch die Poren und bestimmen die therapeutische Beziehung mit. Über die Spannweite menschlicher Beziehungen lässt sich viel von Psychoseerfahrenen lernen.“ (Seite 10)
Thomas Bock: Basiswissen. Umgang mit psychotischen Patienten. Psychiatrie Verlag, 2013, 155 Seiten; 17,99 Euro.