„Psychisch beeinträchtigte Straftäter, gerade auch mit Persönlichkeitsstörungen, sind zu Beginn des Vollzugs auch bei Therapieauflage nicht regelhaft therapiemotiviert und noch seltener änderungsmotiviert. Sie haben oft unrealistische Ansichten und Erwartungen, können sich selbst schlecht einschätzen und ihre Anlassdelikte und begleitenden Verhaltensauffälligkeiten ohne professionelle Unterstützung oft nur begrenzt reflektieren.“ (Seite 17)
Rainer Sachse und Marc Walburg erklären in ihrem Buch nicht die „normale“, d.h. freiwillig vereinbarte Behandlung, sondern die psychotherapeutische Behandlung narzisstischer Persönlichkeitsstörungen im strafrechtlichen Kontext.
Sie berichten von klärungsorientierter Psychotherapie (KOP), Besonderheiten bei der Behandlung persönlichkeitsgestörter Klienten im strafrechtlichen Kontext (z.B. bezüglich der Motivation der Klienten), dysfunktionalem Handeln (z.B. Gründe und Bedingungen für dysfunktionales Handeln, Handlungstendenzen, Kontrollstrategien) und Ursachen für dysfunktionales Handeln bei narzisstischen Persönlichkeitsstörungen (z.B. Schemata und dysfunktionale Handlungstendenzen bei erfolgreichen versus erfolglosen versus gescheiterten Narzissten). Zudem gehen die Autoren sehr detailliert auf das therapeutische Vorgehen ein (z.B. Beziehungsgestaltung, Entwicklung einer Änderungsmotivation, Bearbeitung von Schemata, Bewältigungsstrategien, Analyse von Images und Appellen).
Ich arbeite nicht im strafrechtlichen Bereich, aber ich habe ein generelles Interesse an der Thematik, da die Arbeit mit narzisstisch geprägten Personen für mich die größte Herausforderung in meiner Tätigkeit als Psychologin, aber auch als Privatperson ist.
Ich empfand das Buch durchweg als sehr verständlich und spannend geschrieben, lehrreich, gut strukturiert, gelungen zusammengefasst und sehr relevant. Die Ausführungen stellen eine Art Leitfaden dar und bilden die Komplexität der Problematik und der Behandlung gut ab. Durch die vielen (und oft sehr detailliert beschriebenen) Fallbeispiele ist das Buch zudem sehr praxisnah und ermöglicht sehr differenzierte Einblicke ins Thema.
Mir hat das Buch auch ohne eine Tätigkeit im strafrechtlichen Bereich sehr wichtige und hilfreiche Impulse für meine Arbeit geboten, so dass ich das Buch jedem empfehlen kann, der professionell mit Personen mit narzisstischen Persönlichkeitsstörungen zu tun hat. Dabei richtet sich Umgang mit narzisstisch geprägten Klienten nicht nur an Psychotherapeuten, sondern auch an andere Berufsgruppen.
Rainer Sachse und Marc Walburg: Umgang mit narzisstisch geprägten Klienten. Professionelles Fallverständnis und motivierende Therapie unter strafrechtlichen Bedingungen. Psychiatrie Verlag, 2017, 158 Seiten; 30 Euro.
Liebe Romy, ich finde es echt gut, dass du immer wieder auch mal etwas andere Literatur vorstellst! Ich habe bisher zwei Bücher zum Thema gelesen, auch für Therapeuten, obwohl mich das Thema eigentlich privat beschäftigt. Beide fand ich gut um besser zu verstehen. Einmal von Jochen Peichl und einmal von Lammers . Sonst gibt es ja kaum gute Bücher für Angehörige (besonders wenn es dabei nicht um Narzissmus in der Partnerschaft, sondern um narzisstische Eltern geht, kennst du da gute Bücher?) Ich finde den Umgang enorm schwierig, man fühlt sich oft so ohnmächtig und fassungslos angesichts der Uneinsichtigkeit und grenzüberschreitenden Verhaltensweisen der Betroffenen. Es scheint so harmlos nach außen und kann so viel Schäden anrichten- ich wünsche mir, dass das Thema emotionaler Missbrauch mehr bekannt wird. Noch immer können diese Menschen ja nur angezeigt werden, wenn sie körperlich auch übergriffig wurden, ansonsten ist man allein.:( Wie erlebst du das denn – kommen diese Patienten wirklich freiwillig? Gibt es das so häufig? Ich könnte mir vorstellen, dass die meisten Therapeuten nie mit dieser Störung konfrontiert werden, da die Störungseinsicht und der Leidensdruck ja oftmals nicht vorhanden sind. Daher wird leider auch das Thema emotionaler Missbrauch bei den „Opfern“ ( Geschädigten gefällt mir da besser, da es sich nicht so sehr nach Ohnmacht anhört) oft nicht erkannt. Da ist meiner Meinung nach auch noch viel Lernbedarf in der psychotherapeutischen Richtung. Lg, Kathrin
Liebe Kathrin,
das freut mich, dass dir das gefällt. Ich hatte zwischendurch etwas Sorge, dass dieser neue Psychiatriefokus viele stört, aber mir ist das Ganze sehr wichtig, und ich habe das Gefühl, dass es zwar manchmal Überlappungen zwischen den Literaturlesern und den Psychiatrielesern gibt, dass ich mit beiden Themenbereichen aber eigentlich eher unterschiedliche Leute anziehe, was für mich mittlerweile vollkommen ok ist.
Deine beiden Bücher schaue ich mir auch gleich mal an. Mehr zum Thema fällt mir vorerst nicht ein, aber ich halte die Augen offen.
Meine Erfahrung ist, dass sich Betroffene eher wegen anderer Probleme vorstellen, z.B. aufgrund einer depressiven Symptomatik, dass die narzisstische Akzentuierung/Persönlichkeitsstörung bei den Betroffenen selbst gar nicht so als Problem gesehen wird, dass sie aber Probleme verursacht, die die Betroffenen loshaben möchten. Das ist dann gar nicht so einfach, weil die Persönlichkeitsstörung ja oft Auslöser für zwischenmenschliche Probleme ist, man sie also ursächlich behandeln sollte, was aber (wie du schon sagst) wegen der Störungseinsicht schwierig ist. Besonders selten fand ich das im psychotherapeutischen/psychiatrischen Kontext nicht.
Liebe Grüße,
Romy