„Das Behandlungsangebot basierte lange Zeit auf der Ansicht, das beste Ergebnis für die Patienten sei die völlige Auslöschung der Stimmen. Diese Sichtweise beginnt sich jedoch allmählich zu wandeln. Man sieht zunehmend ein, daß das eigentliche Problem nicht so sehr die Stimmen selbst sind als vielmehr die Unfähigkeit, mit ihnen umzugehen.“ (Seite 9)
Marius Romme und Sandra Escher haben in Zusammenarbeit mit weiteren Autorinnen und Autoren verschiedene Aspekte und Facetten von Stimmenhören zusammengetragen: Stimmenhören in Deutschland, Stimmenhören bei Kindern, Erfahrungen von Nicht-Patienten, nicht-psychiatrische Erfahrungen, psychiatrische und psychologische Perspektiven, Möglichkeiten des Umgangs mit Stimmen.
Bereits vor ein paar Jahren habe ich Stimmenhören verstehen von Romme und Escher gelesen, was ich sehr hilfreich und gelungen fand. Nun habe ich auch zu Stimmenhören akzeptieren gegriffen, muss aber sagen, dass ich nicht zu allen Schilderungen im Buch Zugang finden konnte.
Das Buch enthält viele mutmachende Geschichten, die zeigen, dass man mit Stimmen durchaus gut zurechtkommen und die Kontrolle wiedererlangen kann. Diese Aspekte des Buches haben mir sehr gefallen, und ich finde einen solchen Fokus sehr wichtig und wertschätzend.
Auch die Ausführungen über Strategien zum Umgang mit Stimmen fand ich hilfreich, obgleich mir das Thema nicht fremd ist und ich bei meiner Tätigkeit im Bereich der Psychosenpsychotherapie sehr viel mit Stimmenhören und dem Umgang damit zu tun habe.
Allerdings waren mir viele der erwähnten Geschichten viel zu esoterisch. Hier werden die Stimmen oft mit parapsychologischen, metaphysischen Modellen erklärt, womit ich einfach gar nichts anfangen kann. Dieser starke Fokus war mir einfach too much, so dass ich eher das andere Buch von Romme und Escher empfehlen würde.
„In der klassischen Psychiatrie wird eine Halluzination in erster Linie als Symptom der schweren seelischen Krankheit Schizophrenie betrachtet. Dies war die Perspektive fast aller Väter der Psychiatrie, wie Kraepelin, Griesinger und Schneider. Diese Interpretation wurde jedoch zum Teil von späteren herausragenden Psychiatern modifiziert, der bekannteste darunter war vielleicht Carl G. Jung. Das traditionelle Modell ist auch im Licht der Schilderungen von in Extremsituationen erlebten Halluzinationen fraglich geworden: 80% der Folteropfer halluzinieren laut Amnesty International während der Folterprozedur, und das Phänomen wurde von Bennet 1972 ebenso bei Hochseeseglern festgestellt. In solchen Fallen gibt es keinen Hinweis auf das Vorhandensein einer seelischen Krankheit, ja, oft das genaue Gegenteil.“ (Seite 10f)
Marius Romme und Sandra Escher: Stimmenhören akzeptieren. NEUNPLUS1, 1997, 264 Seiten; vergriffen (antiquarisch erhältlich).
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