„Das stört mich am meisten, wenn ich im Iran bin: dass ich wahr und unwahr manchmal nicht unterscheiden kann.“
Die Ich-Erzählerin Mona lebt in Deutschland, aber ist gebürtige Iranerin. Gemeinsam mit ihrer Mutter reist sie nach dem Tod ihrer Großmutter ein letztes Mal nach Maschhad im Nordosten des Iran. Durch den Tod der Großmutter wird Monas einzige Verbindung zum Land gekappt und die „anstrengende On-Off-Beziehung“ der Ich-Erzählerin zu ihrer alten Heimat beendet.
Eigentlich war nur ein kurzer Aufenthalt im Iran geplant und der Rückflug bereits gebucht, doch dann meldet sich Ramin, Monas Daueraffäre im Iran, bei Mona und lädt sie zu einer Abschiedsreise nach Bam ein, in die Stadt, die fünf Jahre zuvor bei einem Erdbeben vollkommen zerstört wurde.
Monas Mutter schließt sich den beiden Reisenden an, und für Mona stellt der Ausflug nach Bam eine Reise in die eigene Vergangenheit, in die Geschichte ihrer Familie, in das Leben ihrer Großmutter, ihrer Mutter und ihren Vater dar.
Anhand von 16 Farsi-Wörtern, die als Kapitelüberschriften und als roter Faden im jeweiligen Kapitel dienen, erzählt Nava Ebrahimi ihre Geschichte um Mona und die Vergangenheit ihrer Familie. Dabei entsteht ein ungewöhnlich erzählter Roman, bei dem die Ich-Erzählerin häufig die Zeitebene wechselt, den Leser so in verschiedene Epochen mitnimmt und ihre Geschichte mit großer Komplexität erzählt. Diesen Wechsel zwischen den Zeiten (z.B. Iran zu Zeiten des Schah-Regimes, Iran nach der Islamischen Revolution, Gegenwart) empfand ich stets als gelungen umgesetzt und nie als verwirrend oder unpassend.
Ebrahimi ermöglicht durch ihren Debütroman Sechzehn Wörter tiefe Einblicke in die Gedanken und Gefühle der Protagonisten und in das Leben im Iran, aber auch in die Fallstricke eines Lebens im Exil und in Besonderheiten des Farsi. Schön fand ich in diesem Zusammenhang auch die zweisprachigen Kapitelüberschriften (Farsi/Deutsch), da ich Farsi lesen kann und so die Aussprache der Wörter und Phrasen jenseits der vereinfachten Transkription kennenlernen konnte. Für alle, die Farsi nicht lesen können, sind die zweisprachigen Überschriften nichtsdestoweniger ein schöner Einblick ins persische Alphabet sowie ein hübsches Layout-Detail.
Nava Ebrahimi: Sechzehn Wörter. btb, 2017, 313 Seiten; 18 Euro.
Dieser Post ist Teil des Iran-Themas im Oktober 2017.
Ein Gedanke zu „Sechzehn Wörter von Nava Ebrahimi“