Rendezvous mit einem Oktopus von Sy Montgomery

„Wenn der Oktopus schon so schlau ist, welche anderen ähnlich begabten Tiere mag es da draußen wohl sonst noch geben? […] Tiere, die wir nicht für empfindungsfähig halten, denen wir eine eigene Persönlichkeit, ein Gedächtnis und all das eher absprechen.“ (Seite 70)

Sy Montgomery hat eine Verabredung der besonderen Art. In der Auffangstation des New England Aquariums in Boston trifft sie auf einen Pazifischen Riesenkraken, eine Begegnung, die ihre Sicht auf die Welt verändert:

„Doch was ich an diesem Tag wirklich zu entdecken begann, war mein eigener lieblich blauer Planet, eine Welt, so atemberaubend fremdartig, so erstaunlich und wundersam – ein Ort, an dem ich nach einem halben Jahrhundert meines Erdendaseins, und eines Großteils davon als Naturforscherin, nun endlich vollkommen heimisch werden sollte.“ (Seite 11)

In Rendezvous mit einem Oktopus erzählt Montgomery von Saugnäpfen und Umarmungen, Zitteraalen und Konditionierung, Tarnung und Geschmackssinn, Verstecken und Theory of Mind, Eiablage und Tod, Tauchkursen und LSD, Neuronen und Intelligenz.

Ich habe mich bisher nur wenig mit Oktopoden beschäftigt, so dass mir Montgomery viel Wissen über die intelligenten und faszinierenden Weichtiere vermitteln konnte. Sie hat mich mit ihrer Begeisterung für die Tiere, die man auf jeder Seite spürt, sofort anstecken können und erzählt mit großem Respekt von Oktopoden.

Montgomery zeigt dem Leser anhand eigener Erfahrungen und Beobachtungen sowie durch das Darlegen von Forschungsergebnissen, wie erstaunlich die Tiere sind und welch schier unglaublichen Leistungen sie vollbringen können.

Dabei sind ihre Erklärungen und Vergleiche wie z.B. „Beim Abziehen von meiner Haut machen die Saugnäpfe schmatzende Ploppgeräusche wie kleine Pömpel.“ (Seite 15) einfach wunderbar und sehr anschaulich, so dass die Lektüre nicht nur lehrreich, sondern auch unterhaltsam ist.

Beim Lesen des Buches habe ich mich – wieder einmal – gefragt, wie man diese faszinierenden und klugen Tiere einsperren, töten und essen kann. Leider war für mich in diesem Zusammenhang auch nicht nachvollziehbar, wie man so begeistert von den Tieren und überzeugt von ihrer Intelligenz sein kann wie die im Buch erwähnten Forscher, die es trotzdem einfach so hinnehmen, dass die Oktopoden gefangengehalten werden und vollkommen unstimuliert monatelang in einem dunklen Gurkenfass dahinvegetieren, so wie die im Buch vorgestellte Kali.

Rendezvous mit einem Oktopus macht nichtsdestotrotz sehr neugierig auf Oktopoden und hat mich dazu animiert, mich ausgiebiger mit ihnen zu beschäftigen.

Sy Montgomery: Rendezvous mit einem Oktopus. Extrem schlau und unglaublich empfindsam: Das erstaunliche Seelenleben der Kraken. Aus dem Amerikanischen von Heide Sommer. mareverlag, 2018, 336 Seiten; 28 Euro.

10 Gedanken zu „Rendezvous mit einem Oktopus von Sy Montgomery“

  1. Das Cover ist mir auf der FBM letztes Jahr aufgefallen, hab sogar noch eine Postkarte davon hier.
    Hab mich aber nicht „getraut“ bisher zu dem Buch greifen, da ich nicht weiß, ob es was für mich ist, aber wenn ich deine Kritik so lese, muss ich wohl doch einmal zugreifen.
    Danke 😀

    1. Salut,

      greif ruhig zu, es ist ein so tolles Buch! Vielleicht gibt es eine Leseprobe auf der mare-Seite, dann kannst du mal reinlesen.

      Liebe Grüße und einen schönen Abend,
      Romy

  2. Mit 13 habe ich meine Tauchausbildung gemacht und habe bei meinem allerersten Tauchgang eine Sepia gesehen. Die sind SO cool. Seitdem liebe ich Tintenfische sehr und habe glaube ich alles gesehen, was man bei youtube sehen kann. Das Buch hier allerdings fehlt mir noch. Das wird aber noch nachgeholt.

    1. Das klingt toll. Ich war noch nie tauchen, noch nicht einmal schnorcheln. Tauchst du immer noch?

      Viel Spaß mit dem Buch. Im Juni oder so erscheint auch ein Bildband über Oktopoden. Werde den hier vorstellen, kann dir aber auch vorher die Infos dazu raussuchen, wenn du magst.

      Liebe Grüße,
      Romy

      1. Hallo Romy,
        der Bildband klingt super! Ich warte gespannt, du musst mir das aber nicht extra raussuchen – danke dir!
        Tauchen war ich sehr, sehr lange nicht mehr, seit acht Jahren oder mehr. Früher war ich mit meinem Vater und meinem Bruder im Tauchurlaub, danach war ich immer mit Nicht-TaucherInnen unterwegs. Und für Nicht-Tauchende ist es tödlich langweilig, Tauchurlaub-Begleitung zu sein.
        Aber den Schein habe ich und grundsätzlich könnte ich 🙂

        Hab einen schönen Abend,
        Marion

  3. Um das Buch schleiche ich auch schon eine Weile herum und eigentlich interessiert mich das Thema auch, aber dein Punkt, den du ansprichst, dass die Forscher so fasziniert von den Tieren sind, sich aber dann doch irgendwie wenig um sie kümmern oder sie sogar vernachlässigen, schreckt mich etwas ab. Ich kann so ein Verhalten meist auch nicht verstehen und wenn ich in Büchern davon lese, werde ich meist nur wütend… 😀 Daher lese ich demnächst vielleicht erst einmal rein und entscheide dann nochmal, ob es bei mir einzieht.

    Liebe Grüße
    Karin

    1. Dank dir für deinen Kommentar, Karin! Ich finde das mit den kleinen Behältern etc. nicht allzu dominant im Buch, aber ich werde auch immer wütend, wenn ich so etwas lese/höre. Mit Ausnahme des kleinen Behälters kümmern sich die Forscher sehr rührend um die Tiere, spielen mit ihnen, lassen sich berühren etc. Ich fand aber gerade die Diskrepanz zwischen dem liebevollen und faszinierten Umgang und dem klitzekleinen Gurkenfass so unnachvollziehbar, dass ich es in meiner Besprechung erwähnen musste. Lass dich davon nicht abschrecken, der Rest ist wunderbar.

      Liebe Grüße,
      Romy

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