Modifizierte psychodynamische Psychosentherapie. Werkzeuge, Konzepte, Fallbeispiele von Dorothea von Haebler, Christiane Montag und Günter Lempa

„Erst 2014 wurde die Psychotherapie von Psychosen in den Kanon der Richtlinientherapien aufgenommen. Auch heute noch gibt es ‚Wohlmeinende‘ unter den Behandlern, die noch die alten Lehrmeinungen tradieren, dass sich eine Psychotherapie bei akut kranken Menschen mit Psychose verbietet. Hier gilt es, auf den empirischen Nachweis der Wirksamkeit psychotherapeutischer Ansätze bei Psychosen zu verweisen und der therapeutischen Beziehung zu diesen – zutiefst von existenziellen Ängsten bedrohten – Patientinnen und Patienten besonderes Augenmerk zu schenken.“ (Seite 9)

Dorothea von Haebler, Christiane Montag und Günter Lempa setzen sich in Modifizierte psychodynamische Psychosentherapie mit der Psychodynamik von Psychosen, den Rahmenbedingungen der Behandlung und der Behandlungstechnik der psychodynamischen Psychosenpsychotherapie auseinander.

Im Anschluss stellen sie spezifische Situationen der Psychosentherapie sowie den Umgang damit vor, z.B. Umgang mit Wahn und Halluzinationen, mit Minussymptomatik, mit Suizidalität sowie mit Substanzgebrauch.

Am Ende des Buches wird zudem das Thema Supervision knapp behandelt.

Ich arbeite verhaltenstherapeutisch im Bereich der Psychosenpsychotherapie, aber ich war nach einem Vortrag und dem Hören eines Podcasts zum einen sehr beeindruckt von von Haebler, zum anderen sehr begeistert von Psychodynamische Psychotherapie der Schizophrenien. Ein Manual von Lempa, von Haebler und Montag, so dass ich auch Modifizierte psychodynamische Psychosentherapie lesen wollte.

Ich finde den psychodynamischen Blick auf die Phänomenologie und die Bedeutung von psychotischem Erleben spannend und wertvoll, auch wenn ich bisweilen Schwierigkeiten mit der psychodynamischen Terminologie habe und mir psychodynamische Ätiologiemodelle oft recht fremd und verschlossen bleiben. Insgesamt muss natürlich auch gesagt werden, dass die S3-Leitlinie Schizophrenie einen Empfehlungsgrad A für Kognitive Verhaltenstherapie (Soll-Empfehlung) ausspricht, für psychodynamische Psychotherapie lediglich eine Kann-Empfehlung (Empfehlungsgrad 0). Nichtsdestotrotz finde ich einen schulenübergreifenden Blick auf Psychosen wichtig und bereichernd.

Die Autoren behandeln die Besonderheiten des Beziehungsaufbaus mit Psychoseerfahrenen recht ausführlich, was ich bei Psychosen als extrem wichtigen Baustein empfinde. Auch die spezifischen Situationen und den Umgang damit fand ich spannend und relevant für meine Arbeit.

Modifizierte psychodynamische Psychosentherapie ist ein sehr knappes Büchlein, das jedoch viel Wissen vermittelt, neugierig auf Psychosenpsychotherapie macht und spannende Impulse gibt – auch therapieschulenübergreifend!

„Menschen mit schizophrenen Psychosen sind häufig von einer tiefgreifenden Verunsicherung betroffen, die nach Entwicklung eines Wahns emotional weniger bedrohlich wirkt.“ (Seite 11)

Dorothea von Haebler, Christiane Montag und Günter Lempa: Modifizierte psychodynamische Psychosentherapie. Werkzeuge, Konzepte, Fallbeispiele. Vandenhoeck & Ruprecht, 2022, 93 Seiten; 12 Euro.

Dazu hab ich auch was zu sagen!