„Menschen sind komplexe Wesen, und die menschliche Psyche ist nicht eindimensional beschreibbar.“ (Seite 159)
Nahlah Saimeh erzählt im Vorwort von ihrem eigenen Werdegang als (forensische) Psychiaterin und stellt im Folgenden acht ausführliche Fallgeschichten vor. Der Leser erfährt dabei z.B. von einer Frau, die ihren Ex-Partner mit einem Saufänger erdolcht, und von einer Mutter, die ihre Kinder erstickt hat, sowie von einer Schülerin, die einen Amoklauf geplant und initiiert hat.
Neben den Fallgeschichten kann man als Leser viel über psychiatrische Themen lernen, z.B. über verschiedene Persönlichkeitsstörungen (Borderline PS, histrionische PS, schizoide und schizotype PS), Münchhausen-by-proxy-Syndrom, PsychKG, Schuldfähigkeit, Kindesmisshandlung, Pädophilie.
Ich arbeite als klinische Psychologin in einer psychiatrischen Abteilung, interessiere mich schon lange für forensische Psychiatrie, habe viel zum Thema gelesen und vor mehr als 25 Jahren einen kleinen praktischen Einblick in die Forensik bekommen. Frauen gab es in der Abteilung damals nicht, und dementsprechend gespannt war ich auf Fallberichte von Täterinnen.
Saimeh bietet in den einzelnen Kapitels detaillierte Informationen zur Tat, zur Täterin, zu weiteren Beteiligten, zu den Lebensumständen der Täterin, ihrer Vergangenheit sowie Erklärungen zu psychischen Störungen. Hier wird man also nicht nur hervorragend unterhalten, sondern erhält auch viele Einblicke in Psychiatrie und Psychopathologie.
Bisweilen sind die Geschichten recht hart zu lesen und schwer zu verdauen, vor allem wenn es um Gewalt gegenüber Kindern und Kindheitserfahrungen der Täterinnen geht. Das sollte bei der Thematik aber nicht überraschen.
Nahlah Saimeh: Grausame Frauen. Schockierende Fälle einer forensischen Psychiaterin. Piper, 2020, 256 Seiten; 16 Euro.
Dieser Post ist Teil meines Monatsthemas „Sex und Gewalt“ im Dezember 2020.