
„[…] der Stolz war das Ende jeder Kunst und die Demut aller Dinge Anfang […]“
West-Estland im Jahre 1992: Aliide Truu lebt allein in einem Bauernhaus und findet eines Tages ein Bündel in ihrem Garten, das sich als junge Frau herausstellt, die auf der Flucht vor ihren Zuhältern ist.
Das Mädchen – Zara – ist völlig verängstigt und befürchtet das baldige Auftauchen der beiden Männer, die sie zur Prostitution gezwungen und sie mehrfach missbraucht und misshandelt haben.
In Rückblenden wird vom Leben der beiden – auf den ersten Blick vollkommen verschiedenen – Frauen erzählt, von ihren Niederlagen, von ihrem Mut und ihren Entscheidungen, von Schuld und von Sühne, von Liebe und Hass berichtet.
Fegefeuer hat mich wirklich beeindruckt. In anspruchsvoller Sprache erzählt die finnisch-estnische Autorin Sofi Oksanen ihre Geschichte um Aliide, ihre Schwester Ingel, deren Mann Hans und die Prostituierte Zara und bietet dabei einen Einblick in politische Hintergründe und historische Entwicklungen Estlands und Russlands von den 1930er Jahren bis 1992.
Als sehr gelungen empfand ich auch den Spannungsaufbau, die Struktur des Buches und die Komplexität der Geschichte. Oksanens Stil ist schnörkellos und nüchtern, sie wertet nicht und überlässt es dem Leser, sich seine eigene Meinung bilden und seine eigenen Bilder im Kopf zu haben. Und gerade diese Sachlichkeit hat oft dazu geführt, dass mich das Buch besonders berührt und erschüttert hat.
Sofi Oksanen: Fegefeuer. Aus dem Finnischen von Angela Plöger. btb, 2012, 400 Seiten; 9,99 Euro.
Dieser Post gehört zum Finnland-Monatsthema im Januar 2020.