„Und dann, in solchen selbstvergessenen Augenblicken in mit schwarzem Molton abgehängten Probenräumen oder verrauchten Eckkneipen, gelang ihr etwas, das sich wie Glück anfühlte.“ (Track 37)
Alexander Orlow, ein russischer Oligarch, der von allen „der General“ genannt wird und im Ersten Tschetschenien-Krieg gekämpft hat, hat sich ein neues Leben in Berlin aufgebaut, doch die Erinnerungen an den Krieg lassen ihn nicht los.
Nach dem Krieg wurde der General mit drei anderen Männern angeklagt, ein tschetschenisches Mädchen entführt, vergewaltigt und getötet zu haben. Nun ist für ihn die Zeit der Abrechnung gekommen, und dafür braucht er die Hilfe einer Schauspielerin, die sich „Katze“ nennt, die dem tschetschenischen Mädchen (Nura) verblüffend ähnlich sieht und der er viel Geld bietet, damit sie in einem Video das getötete Mädchen spielt.
X-mal habe ich die ersten 20 Tracks des Hörbuchs angehört. Immer wieder bin ich zum Anfang zurückgekehrt, habe mich gezwungen, der Geschichte konzentrierter zu lauschen, habe mich bemüht, diesmal bei der Sache zu bleiben. Doch immer wieder bin ich mit meinen Gedanken abgeschweift – und habe mich abermals entschlossen, ein weiteres Mal mit dem ersten Track zu starten.
Ein (fast) ewiger Kreislauf der Dinge. Nino Haratischwili hat es mir wahrlich nicht leicht gemacht, die 1409 Minuten des Hörbuchs durchzuhalten. Doch ich habe es geschafft!
Zu Die Katze und der General gibt es viele negative Besprechungen und (zumindest im Bloggerbereich) eher wenige positive. Das Buch polarisiert, und ich scheine die noch seltenere Ausnahme zu sein, denn ich gebe dem Hörbuch eine neutrale Bewertung. Ich kann beide Seiten verstehen: diejenigen Rezensenten, die das Buch gelungen fanden, und jene, die aufgegeben haben und/oder dem neuesten Roman von Haratischwili nichts abgewinnen konnten.
Die Katze und der General weist Passagen auf, die mir sehr gut gefallen haben und bei denen ich das Gefühl hatte, Haratischwili reißt nun das Ruder rum und erzählt ab jetzt eine packende, voll und ganz überzeugende Geschichte.
Doch nur wenige Tracks später hat sich die Autorin wieder in ausschweifenden Beschreibungen verloren, hat neue Figuren in epischer Breite vorgestellt, hat mich dadurch ermüdet, hat mich dazu gebracht, dass ich den roten Faden verloren habe, dass ich wieder weniger aufmerksam zugehört habe.
Dieses Auf und Ab zieht sich durch das gesamte Buch, auch wenn ich sagen muss, dass die langatmigen Passagen im Verlauf immer seltener werden und dass das Buch irgendwann richtig spannend wird. Doch man muss stundenlang dabeibleiben, sich zum Weiterhören zwingen, einen langen Atem haben, bis man an dieser Stelle ankommt – und deshalb kann ich Die Katze und der General trotz guter Ansätze und spannender Passagen nicht mit voller Überzeugung empfehlen. Doch genauso wenig kann und möchte ich das Buch abwerten, denn andererseits hat mir der Roman oft sehr gut gefallen, und ich habe gebannt gelauscht.
Sprachlich fand ich Die Katze und der General oft zu blumig und zu metaphernlastig, bisweilen zu hölzern und zu bemüht. Zu den Sprechern muss ich jedoch sagen, dass jeder einzelne von ihnen hervorragende Arbeit geleistet hat und seinen Part überzeugend liest.
Ich finde, es hätte dem Roman sehr gut getan, wenn er deutlich gekürzt worden wäre, denn mit der Straffung der Geschichte und dem weniger ausführlichen und seltenerem Abschweifen zu Nebenhandlungen hätte meiner Meinung nach die gleiche Geschichte erzählt werden können, ohne dass das Reduzieren der x Nebenfiguren und Nebenhandlungen die Haupthandlung beeinträchtigt hätte.
Nino Haratischwili: Die Katze und der General. Ungekürzte Lesung mit Valery Tscheplanowa, Torben Kessler, Peter Kaempfe und Luana Velis. Hörbuch Hamburg, 2018; 30 Euro.
Dieser Post ist Teil des Kaukasus-Themas im Oktober 2018.
Liebe Romy,
interessant, dass du eine ähnliche Hörerfahrung gemacht hast wie ich. Nur, dass ich keine Lust mehr hatte durchzuhalten. Dafür spreche ich dir mein Lob aus. Insbesondere auch, weil du die Tracks immer und immer wieder gehört hast, wie du zu Beginn schreibst.
Vielleicht erzählst du mir ja irgendwann mal den Schluss, der dich dann doch noch zu einer, wie du sagst, neutralen Bewertung gebracht hat. Darauf hast du mich nun doch neugierig gemacht. Aber selber hören mag ich es dennoch nicht. 😛
GlG, monerl
Es war eher der Verlauf des Buches, der mich zu einer neutralen Bewertung veranlasst hat, nicht mal so sehr der Schluss. Eher die Tatsache, dass ich immer wieder gebannt zugehört habe, um dann wieder wegzuhören. Es gab einfach die Passagen, die mir sehr gut gefallen haben, deshalb wollte ich das Buch nicht ganz abwerten, aber trotzdem war es andererseits sooo langatmig…