„Hier ist Isfahan, nur einen Schritt von der Hölle entfernt!“
Der Erzähler der Rahmengeschichte entdeckt nach dem Tod seines Vaters einen Familienstammbaum, der ihm Rätsel aufgibt. Auf der Suche nach Erklärungen und Antworten reist er nach Delhi und findet dort in der Bibliothek eines Sammlers ein Büchlein. Dieses Büchlein enthält den „Bericht des Enkels des großen Kalligraphen aus der Zeit der Belagerung von Isfahan“, und im weiteren Verlauf des Romans wird die Geschichte um Allahyâr (den Enkel des Kalligrafen) erzählt, der im Jahre 1722 in Isfahan lebte und der vom Ende der persischen Safawiden-Dynastie und der Belagerung der Stadt durch die Afghanen berichtete.
Ich habe mich schon sehr viel mit der Geschichte Persiens bzw. des Irans sowie mit dem Islam und Kalligrafie beschäftigt. Der Kalligraph von Isfahan hat mir sehr gut gefallen, denn hier wird nicht nur eine fesselnde Geschichte um Allahyâr und seine Liebe zu Jasmin erzählt, sondern der Leser bekommt zudem spannende Einblicke in die Geschichte des Islam, in die Kunst der Kalligrafie sowie in die historischen Begebenheiten am Ende der persischen Safawiden-Dynastie und in die monatelange Belagerung der Stadt Isfahan. Besonders gelungen fand ich in diesem Kontext auch das Nachwort, in dem ein verständlicher Überblick über die Geschichte des Islam, Sufismus etc. geboten wird.
Die Sprache Amir Hassan Cheheltans ist gewählt und anspruchsvoll, mit blumigen Beschreibungen, die bisweilen etwas schwülstig erscheinen, meiner Meinung nach aber recht typisch für den Erzählstil der Region sind. Cheheltan ist ein sehr guter Erzähler, der den Leser fesseln und unterhalten kann, und so lässt sich der Roman trotz langer Sätze schnell und flüssig lesen.
Cheheltan beschreibt die Personen und die Stadt Isfahan so anschaulich und lebendig, dass man sich ohne Weiteres in die Geschichte eindenken und einfühlen kann, wobei seine Schilderungen stets glaubwürdig sind und einen ebenso faszinierenden wie beklemmenden Einblick in die Belagerung der Stadt bieten. Die Art und Weise, wie der Autor von Hunger und Elend, Brutalität und Gewalt, Angst und Verzweiflung erzählt, ist sehr eindrücklich und vermittelt Einblicke in einen mir bislang unbekannten Teil der persischen Geschichte.
Der Kalligraph von Isfahan war eines meiner Lesehighlights 2015.
Amir Hassan Cheheltan: Der Kalligraph von Isfahan. Aus dem Persischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Kurt Scharf. C.H. Beck, 2016, 347 Seiten; 22,95 Euro.
Dieser Post ist Teil des Iran-Themas im Oktober 2017.