Das Leben ist groß von Jennifer DuBois

„Einmal, in Norwegen, habe ich fünfzehn Züge vorausgedacht, aber es hätte einen viel einfacheren Weg zum Sieg gegeben, und den habe ich übersehen. Sich zu sehr auf die Zukunft zu konzentrieren kann lähmend sein, habe ich festgestellt.“

Die Amerikanerin Irina Ellison hat eine sehr genaue Vorstellung davon, wie ihr Leben verlaufen wird: Ihr Vater litt an Chorea Huntington, ist nach 18 qualvollen Jahren gestorben, und Irina erwartet das selbe Los.

Nach dem Tod ihres Vaters stößt sie auf eine Kiste voller Zeitungsartikel über den Schachweltmeister Alexander Kimowitsch Besetow, auf eine Kopie eines Briefes, den ihr Vater an Besetow geschrieben hatte, sowie das recht nichtssagende Antwortschreiben einer gewissen Elisabeta Nasarowna.

Irina möchte die Antworten bekommen, die ihr Vater nie erhalten hat, und macht sich auf den Weg nach Russland, um Besetow zu finden.

Man möchte kaum glauben, dass es sich bei Das Leben ist groß um das Erstlingswerk einer nicht einmal Dreißigjährigen handelt, denn Das Leben ist groß besticht nicht nur durch eine anspruchsvolle Sprache, sondern auch durch eine überzeugende Charakterisierung der Protagonisten, wobei besonders die Hauptfiguren Alexander Besetow und Irina Ellison so authentisch gezeichnet wurden, dass man regelrecht an ihrem Leben und ihrer Geschichte Teil hat.

Auch der Perspektivenwechsel (Alexanders Geschichte versus Irinas Geschichte) hat mir sehr gut gefallen, zumal die einzelnen Kapitel so lang waren, dass man sich wirklich auf die Erzählstränge einlassen konnte. Hervorragend gelungen sind auch die Beschreibungen des Lebens in der UdSSR bzw. in Russland nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs sowie die detaillierten Darstellungen einzelner Schachpartien.

Das Leben ist groß erzählt von Siegen und Niederlagen, von Krankheit und Tod, von Schach und Politik, von Vertrauen und Verrat, von Sinnlosigkeit und Sinnfindung, von der Bürde des Wissens um die eigene Zukunft, von den Belastungen der Vergangenheit, von Angst und Verzweiflung.

Dieser wunderbare und berührende Roman war eines meiner Lesehighlights 2013!

Jennifer DuBois: Das Leben ist groß. Übersetzt von Gesine Schröder. Aufbau Taschenbuch, 2014, 448 Seiten; 9,99 Euro.

Dieser Post ist Teil des Schach-Monatsthemas im Januar 2022.

Dazu hab ich auch was zu sagen!